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008 - Hexenbalg

008 - Hexenbalg

Titel: 008 - Hexenbalg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gimone Hall
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in einen Halbschlaf.
    Irgendwann in der Nacht spürte sie, dass Peter ins Bett neben sie schlüpfte und sie in die Arme nahm. »Beth, das Leben kann mehr bieten als Kinder. Wir haben schließlich uns beide.« Sie schmiegte sich an ihn, weil sie seine Nähe als tröstlich empfand. Doch zwischen ihnen lagen wie eine Kluft die Worte: für immer.
     
     
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    In den darauf folgenden Tagen versuchte es Beth gar nicht, Peter umzustimmen. Sie wollte nichts weiter, als die alte Vertrautheit zwischen ihnen wieder aufbauen. Dieser Wunsch allein war schon eine Hilfe, da sie mehr daran dachte, wie der Bruch zu heilen wäre, als an seine Ursache. In Gedanken rief sie sich zur Vernunft. Peter hatte ganz recht. Sie hatten einander, die Sonne und den Mond.
    Nur die Sterne fehlten. Das Leben bedeutete mehr.
    Gelegentlich wagte sie sich in den Raum, der als Kinderzimmer vorgesehen war. Die Einrichtung war unvollständig geblieben, nur eine Kommode stand darin. Beth suchte das Zimmer oft auf, bis sie es eines Tages versperrt vorfand. Sie wusste, dass Peter es getan hatte. Ob er sie fernhalten oder seine eigenen Hoffnungen aussperren wollte, konnte sie nicht beurteilen. Die versperrte Tür vermittelte ihr den Eindruck von Endgültigkeit, die ihr vorher nicht so stark zu Bewusstsein gekommen war. Sie bat Peter kein einziges Mal um den Schlüssel.
    Damals verbrachten sie viel Zeit zusammen. Er ließ sie eine neue Zärtlichkeit, eine neue Fürsorge spüren. Sie machten Ausflüge und brachten es sogar fertig, sich miteinander zu amüsieren.
    Auch das Haus wirkte freundlicher, doch in den entferntesten Winkeln lauerte Düsternis und ein Gefühl böser Vorahnung, das einen sofort wieder an den Kamin und in menschliche Gesellschaft trieb.
    Es war unmöglich, sich in diesem Haus auf die Dauer heimisch zu fühlen. Davon war Beth nun überzeugt. Es gab hier nichts Anheimelndes, das einen gehalten hätte.
    Doch eines Tages, als sie mit ihren Einkäufen nach Hause kam, erlebte sie eine Überraschung. Sie hatte den Wagen vor dem Haus geparkt und hob eben eine schwere Tüte heraus, als sie zufällig einen Blick hinauf zu den oberen Stockwerken warf. Hinter dem kleinen fächerförmigen Dachfenster schimmerte es undeutlich. Vorher war es ihr nie aufgefallen. Beth blieb fast die Luft weg, und sie stellte die Lebensmitteltüte schnell wieder in den Wagen. Das war ein Gesicht! Ein Kindergesicht! Nein, es musste ein Irrtum sein, eine durch das Licht hervorgerufene Täuschung. Sie sah wieder hin. Jetzt sah sie es ganz klar. Es blickte nachdenklich auf sie herunter.
    Sie schlug die Wagentür zu und lief ins Haus, die Treppe hinauf in den ersten Stock und dann weiter hinauf unters Dach. Nein, ein Kind war es nicht. Hier gab es nur die Gesichter von Peters Eltern, deren Bilder sie aus dem Wohnzimmer verbannt hatte.
    »Aber es war da! Ich weiß es!« Und dann erkannte sie, was sie durch die Scheibe gesehen hatte. Kein Kind, sondern eine große Puppe. Sie hatte die Puppe nicht sofort erkannt, weil sie von Spinnweben fast verdeckt wurde.
    Sie hob die Puppe auf. Wie lange mochte sie wohl gegen das Fenster gelehnt haben! Streifen in der dicken Staubschicht des Fensters zeigten, dass vom Dach hängende Eiszapfen geschmolzen waren und das Fenster wieder blank gemacht hatten. Beth befreite die Puppe von Spinnweben und Staub und nahm sie auf den Schoß. Die Puppe hatte einen bemalten Holzkopf mit großen, vergißmeinnichtblauen Augen und braune Locken. Arme und Beine des Stoffkörpers waren von Mäusen angenagt. Unter dem gelbweißen Kleid rieselte Sägemehl hervor. Es war ein Kleidchen, das einmal für ein richtiges Baby angefertigt worden war; das merkte Beth auf den ersten Blick. Vielleicht ein Taufkleidchen.
    Erschrocken fiel ihr ein, dass diese Puppe sicher Peters Kusine, die vom Pferd gestürzt war, gehört hatte. Wer hatte sie hier versteckt und dann aus einer Laune heraus das Gesichtchen zum Fenster gedreht? Oder hatte das kleine Mädchen selbst die Puppe hierher gebracht, damit die Puppe sie – die nie wiederkehren sollte – erwarte?
    Sie sagte Peter kein Wort von der Puppe, weil sie das sichere Gefühl hatte, dass er noch immer an einem Schuldgefühl wegen des tödlichen Unfalls litt und vielleicht das Pech mit den eigenen Kindern damit in Zusammenhang brachte. Vielleicht hatte er das Gefühl, dass das Schicksal an ihm Rache nehmen wollte.
    Beth glättete das Kleid der Puppe und setzte sie wieder ans Fenster. Wenn sie sich nun dem Haus näherte,

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