Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
008 - Hexenbalg

008 - Hexenbalg

Titel: 008 - Hexenbalg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gimone Hall
Vom Netzwerk:
Eichenholz. Sie war also nicht imstande, die normalen Funktionen zu erfüllen. Sie verfluchte ihre Hilflosigkeit und wütete gegen die grausame Natur.
    Als Peter spät abends nach Hause kam, ging er direkt ins Kinderzimmer. »Ich habe sämtliche Krankenhäuser verständigt und auch die zuständige Gesundheitsbehörde«, sagte er und setzte sich neben sie. »Alle wollen uns helfen. Ich habe sogar Anzeigen in allen Zeitungen aufgegeben. Sogar in den kleinen Lokalblättern. Mehr können wir nicht tun.«
    Der nächste Tag verlief ruhig. Beide sprangen auf, als das Telefon läutete – aber leider brachte es nicht die erhoffte gute Nachricht. Aber irgendwo musste es eine Mutter geben, die ihr Kind stillte und so viel Mitgefühl aufbrachte, ein fremdes Kind an die Brust zu legen. Beth betete darum.
    Auch der zweite Tag verging. Das verzweifelt schreiende Baby kämpfte ums Überleben. Schließlich stellte Peter fest: »Wir müssen sie wieder ins Krankenhaus bringen. Dort kann man sie in den Brutkasten legen.«
    »Nein!« rief Beth aus.
    »Sei bloß nicht hysterisch. Wir müssen sie hinbringen, wenn sie überleben soll. Mach die Kleine fertig.« Sie merkte ihm an, dass es sein voller Ernst war. Beth war daher froh, als sie unterbrochen wurde. Jemand hatte an der Tür geläutet.
    Durch die Glastür sah sie die Umrisse einer weiblichen Gestalt. Eigentlich wollte sie im Augenblick mit dieser Frau nicht sprechen – mit niemandem sprechen und doch öffnete sie die Tür.
    Ausdruckslose braune Augen starrten sie an. Die Frau zeigte nicht die Andeutung eines Lächelns. Der unmodische Mantel, ein schlampig um den Kopf gebundenes Tuch und schwarze Galoschen, aus denen dicke Beine ragten, verstärkten den unangenehmen Eindruck.
    »Ja, was wollen Sie?«
    »Ich heiße Effie Saxton. Ich komme auf Ihre Anzeige hin.«
    Effie Saxton zeigte sich ungerührt ob der Bewegung, die ihre Ankunft hervorrief. Beth weinte Tränen der Erleichterung und Peter konnte seinen Dank kaum in Worte fassen. Unbewegten Gesichtes stieg sie die Treppe hinauf und ließ die zwei schäbigen alten Koffer in der Diele stehen.
    »Ich verlange Kost und Quartier und vierzig Dollar im Monat.«
    Sie waren überglücklich. Die ehemaligen Dienstbotenzimmer mussten für Effie instand gesetzt werden. Wohnzimmer, Schlafzimmer, ein Bad, ja sogar eine kleine Küche.
    »Und Ihr eigenes Baby«, schlug Beth vor, »kann im Kinderzimmer untergebracht werden. Die Kinder sollen gemeinsam aufwachsen.«
    »Ich habe kein Kind«, sagte Effie ungerührt.
    »Oh!« Beth war perplex. Ihre Dankbarkeit stieg ins Unermessliche. Diese Frau, die ein Kind verloren hatte, vergaß ihren Kummer, um ein fremdes Kind zu retten! Jetzt schämte sich Beth, dass Effies Aussehen und ungehobeltes Benehmen sie zunächst abgestoßen hatten.
    Effie hatte kein Kind. Noch etwas fehlte ihr – nämlich ein Ehemann. Sie stellten keine Fragen. Das Thema war zu delikat. Und Effie war mit Informationen über ihre Person sehr sparsam. Kein Wort von ihrem Baby, von ihrem Mann oder ihrem Heimatort. Sie erfuhren nicht einmal, in welcher Zeitung Effie ihre Anzeige entdeckt hatte.
    Beth war selig, als Effie Starla in den Arm nahm und an die Brust legte. Ein Augenblick leiser Eifersucht war rasch verflogen. Sie sah seelenruhig zu, als ihre Tochter die ersten Züge der Hexenmilch einsog.
     
     
    13
     
     
    »Tut mir leid, dieser Block hat keine Hausnummern.« Der Taxifahrer war ratlos. Beth starrte hinaus auf die ärmlichen, heruntergekommenen Backstein-Reihenhäuser. Verfall, wohin man sah. Verfall, der sich mit notdürftigen Maßnahmen nicht verbergen ließ.
    »Lassen Sie mich hier irgendwo aussteigen.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.« Sie bezahlte das Taxi und sah ihm nach. Plötzlich fühlte sie sich sehr allein. Warum hatte sie den Fahrer nicht gebeten, er möge auf sie warten?
    Aber sie hatte seinen neugierigen, forschenden Blick nicht ertragen. Außerdem wusste sie nicht, wie lange ihr Vorhaben dauern würde.
    Sie war wieder auf der Suche nach Effie Saxton. Effie, die ihr Kind mit Hexenmilch gestillt, die Blut und Fleisch eines Kindes mit Bösem genährt hatte. Zumindest hatte Beth früher dieser Meinung angehangen.
    Nachträglich hatte man ihr versichert, dass diese Gedanken in ihrer Eifersucht auf die Frau wurzelten. Sie hatte versucht zu glauben, was logisch und was gesund war, aber Zweifel waren geblieben. Und heute hatten ihre Zweifel und ihr Hass gegen Effie sie überwältigt.
    Dabei war sie nicht so dämlich

Weitere Kostenlose Bücher