008 - Hexenbalg
ihren schweren Leib gelegt und sie vor dem Sturz bewahrt!
Er hob sie herunter. »Wenn ich dich nicht gesucht hätte …« Er bebte. »Morgen werde ich den Arzt um Schlaftabletten bitten«, sagte er. Und in dieser Nacht versperrte er die Schlafzimmertür und behielt den Schlüssel in der Hand.
11
Am nächsten Morgen hatte Beth das dringende Verlangen nach Gesellschaft und machte Mrs. Richards einen Besuch. Es war ein kalter, schöner Tag. Der Himmel war tiefblau, die Landschaft leuchtete in verschiedenen Brauntönen. Ununterbrochen pfiff der Wind ums Haus. Die alte Dame saß in eine Decke gehüllt in einem großen Sessel vor dem Kamin.
Sogleich erkundigte sich Beth nach dem Befinden ihrer Nachbarin. »Ach, meinen alten Knochen macht die Kälte zu schaffen«, lautete die Antwort. »Aber Ihretwegen, liebe Beth, muss man sich eher Sorgen machen. Wie fühlen Sie sich?«
»Wunderbar«, lachte Beth und machte sich erbötig, der alten Dame einen Imbiss in Form von Suppe und Sandwichs zu bereiten.
Als Beth ihr das Tablett brachte, setzte Mrs. Richards die goldgefasste Brille auf und sah sie an. »So kann ich Sie besser sehen. Wie ich mir’s gedacht habe: da stimmt was nicht!«
»Nein, es ist nichts. Wirklich.«
Beth wurde mit einem Blick bedacht, der besagte, sie würde mit ihren Ausflüchten nicht weit kommen. »Ich habe schlecht geschlafen. Das ist weiter nicht ungewöhnlich.«
»Sind Sie sicher, dass weiter nichts dahinter steckt?«
»Ganz sicher.« Doch dann wurde sie von ihrem Mitteilungsbedürfnis überwältigt und sagte: »Nur dieser Traum, der mich immer wieder verfolgt. Ich höre dauernd das Weinen eines Kindes, und das beunruhigt mich.«
Mrs. Richards kniff die Augen zusammen. »Ein schreiendes Kind! Haben Sie es gesehen?«
»Nein. Ich weiß nicht mal, ob es ein Baby ist, aber ich spüre den starken Drang, darauf einzugehen. Vergangene Nacht stand ich auf und machte mich auf die Suche. Wenn Peter mich nicht eingeholt hätte, wäre ich von der Treppe gestürzt.«
»Das klingt nach einem sehr zwingenden Traum. Wo haben Sie gesucht? Im Kinderzimmer?«
»Ja, dort zuerst. Dann aber wollte ich hinauf auf den Dachboden.« Sie schauderte. »Über diese wacklige alte Treppe. Eine absurde Idee. Ein Baby auf dem Speicher!«
Mrs. Richards machte ein so entsetztes Gesicht, dass Beth hastig fortfuhr: »Es wird nicht wieder Vorkommen. Peter fährt heute in die Stadt und holt ein Schlafmittel für mich. Ich werde dann besser schlafen und nicht mehr träumen.«
Mrs. Richards sagte langsam: »Beth, nehmen Sie diese Mittel nicht!«
Beth war erstaunt. »Warum nicht?«
»Es mag ja nur ein Traum sein, aber es ist ein sehr realer Traum. Wenn etwa mehr dahinter steckt?«
»Was denn? Zuerst dachte ich, ein Ast scheuert am Dach –
aber ich konnte nichts entdecken.«
Im flackernden Feuerschein nahm sich das alte Gesicht jetzt geheimnisvoll und undurchschaubar aus. »Beth, was ist da oben auf dem Dachboden? Ist es Georgianas Puppe?«
»Ja. Und das wäre eine mögliche Erklärung. Ich träumte, dass die Puppe ein Kind ist, und dass es sich auf dem Dachboden befindet.« Beth war es ein Trost, dass sie endlich eine Erklärung für ihr Verhalten gefunden hatte, aber Mrs. Richards schien ihre Gefühle nicht zu teilen.
»Schaffen Sie die Puppe aus dem Haus, Beth«, sagte sie eindringlich. »Vernichten Sie das Ding!«
Beth machte große Augen, und es fielen ihr die Ansichten dieser alten Frau über das Übernatürliche ein. »Wenn Sie mir einreden wollen, dass die Puppe eine Hexe ist, dann bedenken Sie bitte, dass ich mich für aufgeklärt halte. Außerdem ist diese Puppe meine Freundin!«
»Beth, spaßen Sie nicht mit diesen Dingen. Hören Sie lieber gut zu! Sie stehen mit einem Objekt in enger Verbindung, das mit einer tödlichen Tragödie zusammenhängt. Von solchen Dingen gehen Wellen des Bösen aus. Das ist auch der Grund dafür, dass man instinktiv den Mantel eines Ermordeten nicht haben will, oder keinen Becher im Küchenschrank, aus dem jemand Gift getrunken hat. Vielleicht war es nur ein Traum – wenn aber nicht, dann kann die Puppe Ihnen Schaden bringen. Hören Sie auf mich und schaffen Sie sie weg. Wenn Sie das Schlafmittel nehmen, wird es für die bösen Kräfte nur einfacher, Ihr Unterbewusstsein zu beeinflussen. Sie weiden schließlich die Kontrolle darüber verlieren.«
»Ich glaube, ich kann es mit den Hausgeistern noch immer aufnehmen.« Beth stand auf. Das hatte sie so obenhin
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