008 - Hexenbalg
Bekanntschaft mit Jim Sanders war eigentlich sehr nett. Aber die alten Probleme, die mit Männern verknüpft waren, blieben bestehen. Würde er sie immer noch nett finden, wenn er die Wahrheit wüsste?
Wie würde sie es je fertig bringen, ihm oder einem anderen Mann von dem Mord an ihrem Ehemann zu erzählen?
14
»Ich gebe mich geschlagen und hisse die weiße Fahne«, sagte Linda Hillburton am Telefon. Der angriffslustige Ton strafte jedoch ihre Worte Lügen.
Warum die plötzliche Kapitulation? Linda war nicht der Typ, der sich leicht geschlagen gab. Beth hätte sich nicht gewundert, wenn Linda sogar während der Hochzeitsfeier Störaktionen inszeniert hätte. Stattdessen dieser Anruf und Lindas Einladung und Bitte, sie solle nach Long Island kommen und Stoffmuster für die Kleider der Brautjungfern mitbringen.
Wie hatte Mrs. Hillburton bloß diesen Sinnesumschwung zustande gebracht? Diese Frage beschäftigte Beth während der langen Fahrt. Aber als sie vor dem pompösen Landsitz angekommen war, hatte sie noch immer keine Antwort gefunden.
»Miss Hillburton sonnt sich draußen auf der Terrasse«, sagte das Hausmädchen und führte Beth durch eine endlose Zimmerflucht auf eine Terrasse an der Südseite des Hauses. Die Sonne strahlte so grell, dass Beth ihre Augen erst an die Helligkeit gewöhnen musste.
Dann bemerkte sie den elegant gedeckten Kaffeetisch und Linda dahinter, die wieder ihr Schmollgesicht aufgesetzt hatte. Sie war nicht allein.
»Ach, da sind Sie ja«, begrüßte sie Beth. »Sie kennen Ramon noch nicht? Dann muss ich sie bekannt machen. Wie anstrengend!«
Sie stieß einen Seufzer aus. »Diese lächerlichen Förmlichkeiten.«
Ramon erhob sich, und einen Augenblick lang glaubte die verwirrte Beth, er wolle ihr die Hand küssen. Vielleicht unterließ er es nur deswegen, weil sie mit Päckchen so beladen war.
»Linda ist heute auf die ganze Welt schlecht zu sprechen«, sagte er. Seine Bewegungen waren geschmeidig, das Lächeln umwerfend. Ein Lächeln, dem niemand widerstehen konnte. Niemand – außer Linda, seine zukünftige Frau.
»Ramon meint, wir sollten die Stoffmuster hier draußen ansehen, weil die Farben in der Sonne besser zur Geltung kommen«, sagte Linda.
Ein Bräutigam, der das Material für die Kleider der Brautjungfern begutachtet, war wohl ein seltenes Exemplar. Ramon hatte bereits eines der Päckchen geöffnet.
»Darf ich Ihnen Kaffee einschenken, Mrs. Mitchell?« fragte er liebenswürdig. »Das ist eigentlich Lindas Aufgabe, aber sie ist, wie gesagt, schlecht gelaunt.«
»Danke«, sagte Beth. »Darf ich fragen, warum Linda schlechter Laune ist?«
»Aber sicher. Sie ist auf mich schlecht zu sprechen, weil ich sie überredet habe, die von ihrer Mutter so liebevoll geplante wunderschöne Hochzeit zu akzeptieren.«
Beth war fassungslos, und Linda sah geflissentlich weg. Also ging Lindas Gesinnungswechsel auf Ramons Konto.
»Glauben Sie nicht, eine große Hochzeit könnte Ihrer politischen Karriere schaden?« Das war der Grund, den Linda für ihre Ablehnung angeführt hatte.
»Aber nein, das ist Lindas fixe Idee. Ich glaube vielmehr an das Gegenteil. In meiner Heimat ist man der Auffassung, dass Hochzeiten so prächtig als möglich gefeiert werden sollten, und gegen Geld hat kein Mensch etwas einzuwenden. Man würde mich für schön dumm halten, wenn ich nicht annehme, was auf mich zukommt. Linda war ihr Leben lang reich und leidet unter Schuldgefühlen.«
»Keine Spur«, warf Linda hitzig ein. »Eine Hochzeit soll doch nicht zu einem Jahrmarkt ausarten. Das sind keine Schuldgefühle, sondern nur gesunder Menschenverstand.«
Ramon schenkte ihr sein strahlendstes Lächeln. »Dein Idealismus geht zu weit, meine Liebe. Alle jungen Mädchen träumen von einer großen Hochzeit.«
»Du wirfst mit Sprüchen um dich wie meine Mutter.«
Beth musste zugeben, dass Linda nicht unrecht hatte. Arme Linda! Immer bekam sie von anderen zu hören, was sie eigentlich zu wollen hatte. Zum ersten Mal begriff sie, warum Linda sich gegen die Hochzeit gewehrt hatte. Nicht so sehr wegen Ramons Karriere, sondern weil sie wollte, dass dieser bedeutsame Augenblick ihres Lebens nichts mit Reichtum zu tun hatte.
Ramon beantwortete Lindas Anklage mit einem Achselzucken. »Du wirst die reizendste Braut der Welt abgeben, und die ganze Hochzeit muss deiner würdig sein.«
Damit war der Fall erledigt, und Linda begutachtete die Stoffmuster.
»Das hier ist hübsch.«
»Zu kräftig. Alles
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