008 - Hexenbalg
muss ganz zart sein – wie du.« Und er wählte mit sicherem Blick eine einfache weiße Seide. Beth musste zugeben, dass er genau das Richtige gewählt hatte.
»Damit ist die Sache wohl entschieden«, sagte Linda. »Wir können gleich die Party besprechen. Ein großes Problem.« Das fiel zwar nicht direkt in Beths Aufgabenkreis, aber sie war froh über jede zusätzliche Ablenkung, die verhinderte, dass sie dauernd an Effie dachte.
Linda läutete und verlangte frischen Kaffee. »Es handelt sich um die große Party, die einige Tage vor der Hochzeit stattfinden soll«, erklärte sie Beth. »Es soll etwas Besonderes sein.«
»Wir brauchen also ein Thema«, überlegte Beth.
»Wie wär’s mit Polynesien«, schlug Ramon vor, »oder der Orient – mit Gala-Feuerwerken?«
»Zu gewöhnlich«, entschied Linda.
Auch ein Künstlerfest wurde verworfen.
»Wie wär’s mit einem Kostümfest, auf dem alle als berühmte Verbrecher erscheinen?« sagte Ramon.
»Schrecklich. Dann kommen sicher Dutzende von Al Capones. Ich möchte etwas ganz anderes. Es soll nicht von dieser Welt sein.«
»Genau!« rief Ramon. »Nicht von dieser Welt, aus der Welt der Toten!« Er schnitt spaßeshalber ein Gesicht, schwenkte die Arme und stöhnte.
»Genau! Das Thema bietet viele Möglichkeiten.« Linda lachte. »Wir müssen eine Hellseherin einladen und eventuell ein Medium.«
Beth war wie vor den Kopf geschlagen. Wohin sie auch ging, überall traf sie auf Okkultismus. Hier sollte es zwar nur ein Spiel sein. Aber auch in dieser Form war es schwer zu verkraften.
»Und das alles in Verbindung mit einem Kostümfest«, hörte sie Linda sagen. »Jeder soll sich als Geist dessen kostümieren, mit dem er Kontakt herstellen möchte. Wen werden Sie darstellen, Mrs. Mitchell?«
»Ich? Ich bin doch nicht etwa eingeladen?«
Linda war zutiefst betroffen und sah sie prüfend an. »Das jagt Ihnen ja einen echten Schrecken ein! Warum denn? Glauben Sie, bei uns könnte ein echtes Gespenst erscheinen?« Das war als Scherz gemeint, doch langsam dämmerte ihr, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. »Ja, das ist es! Beth Mitchell, Sie glauben an Gespenster!«
»Aber nein.« Beth lachte unsicher.
»Ja«, fuhr Linda unbeirrt fort. »Erinnern Sie sich, ich habe Ihnen prophezeit, dass ich Ihre geheime Schwäche ans Licht bringen würde. Jetzt ist es mir geglückt. Kommen Sie doch zur Party und beweisen Sie mir das Gegenteil.«
Beth spürte, wie ihr Inneres bebte. Kristallkugeln, magische Zeichen, Fetische – bei Linda gab es mit Sicherheit keine halben Sachen. Ihre Hände waren eiskalt und feucht. Sie rang sich mühsam die Antwort ab: »Vergessen Sie nicht, mich auf Ihre Gästeliste zu setzen.«
15
Viel willkommener als Lindas Einladung war eine, die zwei Tage darauf kam. »Fahren wir aufs Land«, schlug Jim vor. »Wir können irgendwo unterwegs essen.«
»Und wohin soll es gehen?« fragte sie. Sie hatte seine Stimme erkannt, noch ehe er seinen Namen genannt hatte.
»Ach, eine Fahrt ins Blaue. Es gibt Straßen draußen im Hinterland, die kenne ich noch nicht.«
Beth lachte. »Ich begreife, warum Sie als Spürhund für einen Importeur arbeiten«, meinte Beth. »Sie haben einen gut ausgebildeten Instinkt für alles Unbekannte.«
»Sie kommen also mit?«
»Gern.«
In Connecticut hatte es geschneit, und jetzt schien die Sonne auf eine strahlend weiße Schneedecke. Das erinnerte Beth an die Winter in Colwood, und doch war es ein Unterschied.
In Colwood war es selbst an schönen Tagen rauh gewesen. Hier aber war es windstill, und die Schneedecke wirkte heimelig und tröstlich.
»Woran denken Sie?« fragte Jim.
»An mein Zuhause«, sagte sie offen. »Wir lebten auf dem Land.«
»Fehlt es Ihnen?«
»Ob es mir fehlt?« Diesen Gedanken hatte Beth nie verfolgt. Ihre Gedanken an Peter und Starla waren natürlich immer mit Colwood verknüpft, und sie konnte sich die beiden in anderer Umgebung nicht vorstellen.
Sie trennte die beiden in Gedanken vom Haus und sagte: »Nein, ich konnte mich mit dem Haus niemals anfreunden.«
Als könne er ihre Gedanken lesen sagte Jim: »Ich weiß jetzt, wer die Wohnung bewohnt.«
Beth hielt den Atem an. »Beruhigen Sie sich«, sagte er. »E. Saxton heißt Edward.«
»Ach so.« Ihre Enttäuschung war groß, aber dieses Gefühl verflog rasch. Eigentlich hatte sie nicht erwartet, dass die Wohnung Effie gehörte.
Aber wo war Effie? Hatte sie am Ende kein Telefon? Ja, möglich, dass die Antwort auf diese Frage so
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