Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
008 - Hexenbalg

008 - Hexenbalg

Titel: 008 - Hexenbalg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gimone Hall
Vom Netzwerk:
harmlos war. Aber Beth wurde das Gefühl nicht los, dass Effie verschwunden war, sich in Luft aufgelöst hatte.
    Ihre Enttäuschung wich einer Leere, die ihre Ursache in dem Wissen hatte, dass es jetzt keine weiteren Spuren gab. Jetzt sollte sie eigentlich erleichtert sein, dachte Beth. Es gab keine Versuchung mehr. Sie konnte ihr neues Leben aufbauen und abwarten. Aber von Erleichterung war nichts zu merken. Es trat eine peinliche Stille ein, bis Jim schließlich sagte: »Beth, warum gehen Sie nicht zur Polizei, wenn Sie unbedingt wissen wollen, wo diese Frau steckt?«
    Eine Frage dieser Art hatte sie gefürchtet, eine Frage, auf welche die Antwort lautete: »Weil ich in einer Anstalt war. Weil ich meinen Mann tötete.«
    Stattdessen hörte sie seltsam fasziniert, wie ihr eine Lüge über die Lippen kam. »Ich war schon bei der Polizei. Sie wird gesucht, aber es dauert so lange, bis sich der Behördenapparat in Bewegung setzt. Für die Polizei bedeutet es nur einen Routinefall. Außerdem können die Behörden nicht wissen, wie Effie veranlagt ist. Die könnte sich auch in einem Mauseloch verkriechen.«
    »Ja, die Polizei ist einer Hexe sicher nicht gewachsen«, sagte er.
    Sie warf ihm einen hastigen Blick zu. Es war sein voller Ernst.
    »Halten Sie es für möglich, dass sie eine Hexe ist?«
    »Möglich? Natürlich. Die Menschen haben die Welt des Übernatürlichen eigentlich nie richtig erforscht. Man sieht sie nicht, kann sie nicht anfassen und leugnet schlichtweg ihre Existenz. Dabei steckt in jedem, auch in den Leugnern, eine Spur Unsicherheit und Angst. Irgendetwas muss also dran sein – es steckt zu tief in der menschlichen Natur drin. Warum keine Hexen? Kein Mensch konnte den Beweis erbringen, dass sie nicht existieren.«
    »Na, wenn es welche gibt, dann ist Effie mit Sicherheit eine!«
    »Ich könnte die Suche fortsetzen, Beth«, sagte er ruhig.
    »Ach Jim, das würden Sie tun?« Ihre Antwort kam ganz impulsiv.
    »Ja, aber als nächstes mache ich mich auf die Suche nach einem Restaurant. Meine Intuition wird mich sicher nicht im Stich lassen.«
    Aber nach einer halben Stunde knurrte beiden der Magen, und sie machten sich über seine Intuition lustig. Dann kamen sie um eine Kurve, fuhren über eine überdachte Holzbrücke und waren plötzlich mitten in einem Dorf.
    Der Speisesaal eines Hotels im Kolonialstil entpuppte sich als urgemütliches Lokal, und das Essen, das ihnen der Inhaber höchstpersönlich servierte, schmeckte köstlich. Offenbar waren Gäste in dieser gottverlassenen Gegend und zu dieser Jahreszeit eine Rarität, denn der Wirt beobachtete sie mit neugierig verstohlenen Blicken und hätte zu gern gewusst, was sie hierher geführt hatte. Als er schließlich in der Küche verschwand, konnten sie sich ungestört dem Essen hingeben. Inzwischen vertiefte sich draußen das Grau des Tages.
    »Ach, es wird sicher wieder schneien«, meinte Beth. Sie war ihrer Sache ziemlich sicher, weil die langen Winter in Colwood sie zu einer Wetter-Expertin gemacht hatten.
    Auf Jims Frage beruhigte der Wirt sie. Es wären nur Schneegestöber zu erwarten. »Na, für den Fall, dass wir auf der Rückfahrt Schwierigkeiten haben, nehmen wir Proviant und heißen Kaffee in der Thermosflasche mit«, meinte Jim.
    Sie fuhren los, und der Schneefall setzte ein. Beth wurde in der anheimelnden Wärme des Wagens schläfrig, und mit der Zeit schlief sie ein, höchst unbequem, den Kopf auf ihren zusammengelegten Mantel gebettet.
    »Beth, aufwachen.« Der Wagen hatte angehalten. Auf der Windschutzscheibe lag eine dicke Schneeschicht.
    »Es schneit zu stark, ich kann nicht weiterfahren«, sagte Jim. »Zum Glück ist da drüben eine Scheune. Drinnen können wir abwarten, bis es zu schneien aufhört.«
    Als er die Wagentür öffnete, traf eiskalter Wind ihr schlafwarmes Gesicht und rief in ihr schlagartig sämtliche Erinnerungen an gestrandete und in Schneestürmen erfrorene Autofahrer wach. Jim nahm sie an der Hand und führte sie einen noch erkennbaren Weg entlang.
    »Da haben wir aber Glück«, sagte er, als sie die Tür an der dem Wind abgewandten Seite der Scheune fanden. »Die Tür ist nicht versperrt, nur verriegelt.« Gemeinsam machten sie sich daran, den eisverkrusteten Riegel zurückschieben. Endlich öffnete sich ächzend die Tür, und sie schlüpften in die große dunkle Scheune. Drinnen herrschte würzige Wärme, die von den undeutlich sichtbaren Heuhaufen ausging. Jim entzündete ein Streichholz und schützte es mit der

Weitere Kostenlose Bücher