008 - Hexenbalg
kleines Tier.«
Mrs. Richards Worte klangen in ihr nach, als sie hinausging und die Tür schloss. In der Diele blieb sie stehen und versuchte, das eben Gesehene abzuschütteln. Sie musste diese Eindrücke einfach loswerden. Sie konnte es sich nicht leisten, ihrem wachsenden Widerwillen gegen Effie nachzugeben.
Solange Starla gestillt wurde, waren sie völlig abhängig von Effie. Und sie standen tief in ihrer Schuld.
Eine Schuld, an der sie schwer tragen sollten.
Dann wurde Starla abgestillt, und Beth erwartete voll Freude Effies endgültiges Verschwinden. Sie hatte Effie so satt. Sie hatte es satt, dauernd dankbar sein zu müssen.
Bei der Vorstellung, mit ihrem Kind endlich allein sein zu dürfen, summte sie fröhlich vor sich hin. »Nanu, was soll das?« fragte Peter.
»Ach nichts.« Sie gab ihm gutgelaunt einen Kuss. »Aber ich habe mir eben vorgestellt, wie es sein wird, wenn Effie endlich geht. Hoffentlich nimmt sie die Katze mit.«
»Ich wusste nicht, dass Effie uns verlassen will«, sagte er.
»Natürlich wird sie das«, meinte Beth voll Ungeduld. »Wir brauchen sie nicht mehr.«
»Wir brauchen sie nicht mehr?« Peter war außer sich. »Wie kannst du das sagen! Deine Selbstsucht geht zu weit. Wir verdanken Effie das Leben unseres Kindes, und wir bieten ihr ein Dach über dem Kopf, solange sie es will.«
»Peter! Das könnte ja – für immer sein!«
»Dann also für immer!«
Sie war wie vor den Kopf geschlagen und zu verwirrt, um sich auf einen Streit einzulassen. Sie brach in Tränen aus und verbrachte die Nacht schlaflos auf einer Couch im Kinderzimmer.
Jetzt sah sie es ganz deutlich. Effie hatte die Oberhand im Haus. Das Kind und Peter – beide standen unter ihrem Einfluss. Einzig Beth leistete ihr Widerstand – eine schwache Feindin, die ihr nicht gewachsen war. Beths Abneigung steigerte sich bis zum Ekel. Ihre Dankbarkeitsgefühle waren vollkommen erloschen.
Starla war bald kein Baby mehr, sondern ein gescheites und flinkes kleines Mädchen, das so behende und anmutig wie eine Elfe im Freien tollte. Wenn sie atemlos vom Spielen ins Haus kam, lief sie öfter zu Effie hin als zu Beth, zu Effie, die über das Kind nun ein Netz von allgegenwärtigen und kunstvollen Phantasiegebilden spann. Effie füllte die einsamen Wälder mit allen möglichen faszinierenden Spielgefährten, die für das Kind leibhaftige Gestalt annahmen.
Beth war gar nicht wohl dabei, aber Peter war begeistert von der lebhaften Phantasie seiner Tochter und konnte ihr stundenlang zuhören. Sah er denn nicht, wie unnatürlich das alles war?
Nein, gewiss nicht. Das Kind war sein ein und alles und konnte bei ihm immer seinen Willen durchsetzen. Er untergrub Beths disziplinäre Maßnahmen und war unwissentlich der Dritte im Bunde bei Starlas und Effies Verschwörung.
Ihr Mann war der einzige, an den sie sich um Hilfe wenden konnte. Der einzige, der das Kind vor den merkwürdigen, nur halbbegriffenen Vorgängen schützen konnte. Stattdessen diente Starla als Keil, den Effie berechnend zwischen sie beide trieb.
Gehörte das alles zu Effies Plan? Hatte sie überhaupt einen Plan, oder war sie nur eine wunderliche Kinderfrau, die ihre seltsamen Gewohnheiten auf ihren Schützling übertrug?
Doch die Idee, dass Effie einen bestimmten Plan verfolgte, ließ Beth nicht mehr los.
Und Starla hörte nicht auf, mit leblosen Dingen zu sprechen und mit Spielgefährten zu spielen, die es nur in ihrer Phantasie gab. Beth versuchte es noch einmal bei Peter.
»Peter, dieser Zustand ist unerträglich. Wir müssen etwas unternehmen.« Das Gespräch fand im Schlafzimmer statt, dem einzigen Raum, in dem Beth sich unbeobachtet fühlte. Vielleicht aber waren sie nicht einmal hier allein. Die unheimliche Atmosphäre durchdrang das ganze Haus und schien den Sieg Effies herbeizuwünschen. Von Anfang an hatte Effie zu der Stimmung im Haus gepasst, als wäre sie ein Möbelstück, das nach einer längeren Reparatur wieder heimgekehrt war.
»Beth, die Kleine hat viel Phantasie, und ich freue mich darüber. Unsichtbare Freunde sind ganz normal, viele Kinder spielen mit solchen Phantasiegebilden. Mit der Zeit hört das ganz von selbst auf. Schlaf jetzt.«
»Nein! Effie ist daran schuld. Wenn wir nur …«
»Hör auf damit, Beth!« Er setzte sich im Bett auf. »Du bildest dir diese Dinge ein, weil du Effie ablehnst. Effie hat nichts getan.«
Nichts? Sie versuchte, ihm recht zu geben. Aber Effie hatte die Puppen gebastelt. Das konnte niemand abstreiten.
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