008 - Im Bann der Hexe
müde gewesen war. Sie spürte, wie sie schwankte. Es hämmerte in ihrem Kopf, und sie hatte nur noch den Wunsch, sich hinzulegen. Als sie aus dem Zimmer floh, wollte sie keine Erklärung mehr über die verstümmelte Puppe, sondern hatte nur noch Angst davor.
„Ich habe sie gefunden, Beth. Ich habe Effie gefunden.“ Jim Sanders’ Stimme am Telefon klang überschwänglich. „Beth, bist du noch da?“
Ah ihrem Schreibtisch im Hause Gibson huschte ein Nähmädchen mit einer Schachtel vorbei, und ein Mannequin in einem Cape aus schwarzem Affenpelz schwebte in Marqs Büro.
„Ich bin da, Jim. Ich kann es nicht fassen. Ich hatte schon angefangen, zu glauben, dass es sie gar nicht gibt.“
Er lachte. „Es gibt sie wirklich. Sie ist ebenso wirklich wie der Wecker am Montagmorgen. Was nun, Beth?“
Es drehte sich ihr alles im Kopf. Sie hatte auf diesen Anruf gehofft, aber ihn nicht erwartet. Sie hatte nicht viel Vertrauen zu Jims Untergrund-Verbindungen gehabt. Seit drei Jahren wollte sie wissen, wo Effie war, ihr gegenübertreten, ihr Starla entreißen, sie dazu zwingen, die Ungeheuerlichkeiten zuzugeben, die sie begangen hatte. Jetzt war der Augenblick gekommen.
„Was nun?“ hatte er gefragt.
Sie konnte immer noch ausweichen. Sie brauchte nur zu sagen, dass Effie sich mit ihr in Verbindung gesetzt hatte und alles in Ordnung sei.
„Ich weiß nicht.“ Ihre Stimme klang etwas unsicher. „Komm heute Abend zu mir, dann können wir alles besprechen. Um sieben Uhr.“
Als sie aufgelegt hatte, merkte sie, wie still es um sie herum war. Es war fast fünf Uhr. Sie hatte also nicht viel Zeit, sich zu überlegen, ob sie die Verabredung einhalten sollte.
Sie stand unsicher auf, und da sie einen Lichtschein unter Marqs Tür sah, trat sie ohne besonderen Grund in sein Büro ein.
Er war erfreut, sie zu sehen.
„Überstunden? Ich nehme an, es handelt sich um Linda Hillburton. Es macht mir schlaflose Nächte, dass ich dir das angedreht habe.“
„Es ist nicht so schlimm. Linda und ich sind ganz gut miteinander ausgekommen.“
Er strahlte vor Erleichterung. Der liebe Marq, leichtherzig, charmant und elegant wie früher. Sie war wohl auch einmal so gewesen. Unwillkürlich verspürte sie den Wunsch, in seiner Nähe zu sein, um alles zu vergessen.
„Lass uns irgendwo Kaffee trinken gehen, Marq.“
Sie gingen in den Grillraum. Beth wollte dort mit Marq sitzen, bis es zu spät war, Jim Sanders zu treffen. Sie wollte versuchen, die Stimmung der Vergangenheit wieder zu finden, die Zeit, in der sie so verliebt in ihn gewesen war und das Leben so verstanden hatte, wie Marq es immer noch verstand.
Ihre Gedanken schienen auf ihn überzuspringen, und er ergriff ihre Hand unter dem Tisch. Sie lächelte und zog sie nicht zurück.
„Erinnerst du dich noch, als wir das erste Mal hierher kamen, Beth?“
Sie nickte. „Ich war noch so jung und sehr schüchtern.“
„Du warst so schön, und ich war eingeschüchtert.“
„Schmeichler! Bei all dem Süßholz wird dir die Zunge im Hals stecken bleiben.“
„Ich erinnere mich an eine Gelegenheit, bei der mir die Zunge im Hals stecken blieb.“
Wie anders hätte das Leben sein können, wenn es nicht der Fall gewesen wäre!
„Was war es doch, was Karen sagte, wonach du dich sehntest?“
„Geranien vor den Fenstern und eine volle Keksdose.“
„Das war es! Das hat mich damals halb zu Tode erschreckt. Komisch, dass einen erwachsenen Mann der Gedanke an Geranien und eine Keksdose blass werden lässt.“
„Das ist gar nicht so komisch. Denke daran, was dem Mann geschehen ist, der darauf eingegangen ist.“
Sie sah, wie er zusammenzuckte, aber sie dachte schon kaum noch an Marq. Die Unterhaltung rauschte an ihr vorbei. Sie wurde mit jeder Minute nervöser und konnte die Augen nicht von der Uhr hinter der Theke abwenden. Beth dachte an einen anderen Mann, an Jim Sanders, dessen Qualen ihr vertraut waren, und dessen Kuss sie vergessen lassen konnte, dass sie eine Bedrohung für jeden Mann darstellte.
„Beth, was ist los?“
„Marq – Marq, ich muss gehen.“
Sie sprang auf und stieß sich das Knie am Tischbein. Erst als sie auf dem Gehsteig stand und verzweifelt versuchte, ein Taxi anzuhalten, dämmerte ihr flüchtig, dass der frühere Mann ihrer Träume im Begriff gewesen war, ihr einen Heiratsantrag zu machen.
Um Viertel nach sieben hielt das Taxi vor dem Haus. Es dauerte eine Ewigkeit, bis der Fahrstuhl kam, und als Beth ihre Etage erreichte, hatte sie den
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