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0080 - Zanos, des Teufels rechte Hand

0080 - Zanos, des Teufels rechte Hand

Titel: 0080 - Zanos, des Teufels rechte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F. Morland
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als eine schnelle Exekution. Hier würde er langsam zugrunde gehen. Nicht etwa aus Nahrungsmangel. Es gab Süßwasser auf der Insel und eine Vielzahl von Früchten. Und das Meer war voll von Fischen. Nein, verhungern würde er auf dieser verdammten Insel nicht. Aber verrückt werden - jawohl, verrückt würde er werden. Irrsinnig. Die unendliche Einsamkeit würde ihn ganz langsam dem Wahnsinn in die Arme treiben.
    Eine so grausame Strafe hatte er nicht verdient.
    Herbert schlug die sandigen Hände vors Gesicht. »O Irene! Irene! Warum hast du mir das bloß angetan? Ich habe dich verzehrend geliebt. Ich wollte, daß du meine Frau wirst. Warum hast du dich mit diesem Matrosen eingelassen? Warum hast du alles kaputtgemacht, was zwischen uns war?«
    Tränen füllten Herberts Augen.
    Er sprang auf. Der Wind zerzauste sein Haar. »Ich hasse dich, Irene!« brüllte er auf das offene Meer hinaus, als befände sich irgendwo dort draußen das Jenseits. »Ich hasse euch alle. Polizei! Richter! Alle! Alle! Alle! Ihr habt mich zu Unrecht verbannt. Ich habe nur getan, was ich tun mußte. Es war die einzige gerechte Strafe für Irene und Enzo. Ihr hättet meine Liebe berücksichtigen müssen, ihr gnadenlosen Kreaturen!«
    Der Wind und das Meer waren gute Zuhörer. Sie widersprachen niemals, nahmen einfach zur Kenntnis, was ihnen Herbert entgegenbrüllte.
    Verzweifelt setzte sich Herbert wieder in den Sand. Hinter ihm rauschten die Kokospalmen. Vor ihm rollte die See. Der junge Mann aus Deutschland fing an, Landkarten in den Sand zu zeichnen. Ceylon. Er wischte wütend darüber. Indien. Mit einem Handstrich löschte er auch diese Zeichnung. Deutschland. Mit tränennassen Augen starrte er die vertrauten Linien an. Dort - ungefähr - lag Darmstadt. Da war er zu Hause… gewesen. Nie mehr in diesem Leben würde er dorthin zurückkehren können. Sein neues Zuhause war diese kleine, verfluchte Insel. Für immer. War das nicht grauenvoll?
    Herrgott noch mal, es mußte doch irgendeine Möglichkeit geben, von hier wegzukommen. Auf einem Floß! Aber womit sollte er die Bäume fällen? Mit bloßen Händen?
    »Oh, wie ich alle Menschen hasse!« schrie Herbert wieder los. Er schluchzte. »Mich trifft keine Schuld… Sie haben mich herausgefordert. Irene und Enzo. Vor meinen Augen haben sie es miteinander getrieben! Das war einfach zuviel für mich! Kann das denn keiner verstehen? Die beiden haben mit dem Feuer gespielt. Und wer mit dem Feuer spielt, der darf sich nicht wundern, wenn er sich dabei verbrennt!«
    Herbert ließ sich auf den Rücken fallen. Er breitete die Arme aus und starrte mit brennenden Augen zum Himmel hinauf.
    Viermal war Herbert die Insel schon abgegangen. Keine Schlangen. Keine Vögel. Überhaupt kein Tier lebte hier. Einerseits war das gut, denn wenn es keine Tiere gab, gab es auch keine Gefahr für ihn. Andererseits aber hieß das, daß Herbert nie wieder Fleisch zwischen die Zähne kriegen würde.
    Nur noch Früchte und Fische. Eintönig. Früchte und Fische. Fische und Früchte. Die Reihenfolge zu ändern war die einzige Abwechslung.
    Daran mußte früher oder später jeder Geist zerbrechen.
    Viermal hatte Herbert »seine« Insel bereits umrundet. Er hatte das Dickicht durchstreift, um sich Gewißheit zu verschaffen, tatsächlich allein zu sein. Er wollte sich nicht schlafen legen und riskieren, daß ihm jemand, während er von zu Hause träumte, mit einem Stein den Schädel einschlug. Schließlich mußte er nicht der einzige Mensch sein, der für ein Leben lang von den maledivischen Gerichten verbannt worden war.
    Allein. Es stand unumstößlich fest. Und er fragte sich, ob das tatsächlich ein Vorteil war. Mit einer zweiten Person hätte, er die Einsamkeit viel besser ertragen können. Er hätte mit jemandem sprechen können, Pläne schmieden, sich anhören, welche Erfahrungen der andere auf dieser Insel gesammelt hatte.
    Doch da war niemand. Nicht im Busch und auch nicht in jener kleinen Höhle, die er nahe dem Strand entdeckt hatte. Sie würde ihn bis an sein Lebensende vor Wind und Wetter schützen, würde sein Heim sein, sein Unterschlupf.
    Lebensende! Wie alt würde er auf dieser Insel wohl werden können? Wenn er nicht ernstlich erkrankte - siebzig vielleicht? Möglich. Aber bestimmt würde er dieses Alter nicht in geistiger Frische erreichen. Er würde zum senilen Idioten werden, der ziellos auf der Insel herumrannte und mit sich selbst redete, der immer noch, auch mit siebzig, überlegte, wie er endlich von

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