0081 - Der Sensenmann als Hochzeitsgast
uns seine Frau vor, lächelte und reichte einen Drink auf Kosten des Hauses. Sekt mit Orangensaft.
Sogar Suko leerte sein Glas.
Dann gingen wir nach draußen. Das Stimmengewirr hörten wir schon, bevor wir einen Schritt durch die Außentür gesetzt hatten. Es waren inzwischen zahlreiche Gäste eingetroffen. Der Parkplatz hatte sich gefüllt.
Vor allen Dingen hatten es sich Wills Kollegen nicht nehmen lassen, ihren Spezi bei seiner Hochzeit zu begleiten. Ich zählte fünf Männer und eine Frau. Sie standen zusammen, erzählten und lachten. Zwei Reisebusse sah ich ebenfalls auf dem Parkplatz, doch mit ihnen waren keine Hochzeitsgäste gekommen, sondern Mitglieder einer Kegeltour.
Ein dunkelhaariger Mann in meinem Alter trat auf Jane und mich zu. »Sie sind bestimmt John Sinclair«, sagte er.
»Ja.«
Er streckte die Hand aus. »Mein Name ist Frank Platten. Ich bin ein Kollege von Will. Er hat mir Sie so gut beschrieben, daß ich Sie sofort erkannt habe.«
Ich machte auch Jane bekannt, und Wills übrige Kollegen traten ebenfalls zu uns. Es begann das große Händeschütteln. Die Namen konnte ich gar nicht behalten, und bevor wir uns versahen, hatte die Fachsimpelei schon begonnen.
Na ja, wir waren eben alle Polizisten.
Dann wurde unser Gespräch unterbrochen. Die Hochzeitskutsche rollte heran. Sie wurde von zwei Schimmeln gezogen und hatte ein nach hinten aufgeklapptes Verdeck. Der Mann auf dem Kutschbock trug einen grauen Anzug und einen Zylinder in der gleichen Farbe. Er ließ einmal seine Peitsche knallen, und die Pferde drehten ihre Ehrenrunde. Vor dem Schloß-Eck wurden sie dann gezügelt. Die Tiere stampften ein paarmal mit den Hufen auf und schnaubten.
Ich warf einen Blick auf die Uhr. »Eigentlich müßte es losgehen«, sagte ich. »In einer halben Stunde soll die Trauung beginnen.«
Jane drückte meinen Arm. »Da kommen Sie!«
Ich drehte mich um und schaute zum Eingang. Zwei von Wills Kollegen rissen ihre Fotoapparate hoch und knipsten.
Das Motiv war in der Tat bemerkenswert. Karin Becker und Will Mallmann gaben ein – wie der Volksmund sagt – schönes Paar ab. Karin sah bezaubernd aus. Das lange Brautkleid bestand aus blütenweißem Satinstoff, der am Ausschnitt und an den Ärmeln mit Seidenspitze abgesetzt war. In der linken Hand trug sie einen prächtigen Blumenstrauß aus Herbstblumen. Das lange, dunkle Haar war zu Locken gedreht und fiel an beiden Seiten des Kopfes bis auf die Schultern.
Will Mallmann schritt neben ihr her wie ein König. Der Kommissar strahlte von Kopf bis Fuß. Will trug keinen Smoking wie wir, sondern einen Cut. Die schwarze Jacke teilte sich am Rücken zu einem Schwalbenschwanz. Will hielt seinen Zylinder in der Hand. Die dunkelgraue Hose mit den feinen Nadelstreifen war messerscharf gebügelt, und im Revers des Kommissars steckte eine weiße Nelke.
Will Mallmann war Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. Die Gäste schauten nur auf das Paar, und alle hatten den gleichen Gedanken.
Sie klatschten.
Auch wir.
Jane stand neben mir und strahlte. Sheila hatte sich gegen ihren Bill gedrückt. Ich sah, wie sie sich verstohlen eine Träne aus den Augenwinkeln wischte.
Über Shaos und Sukos Gesichter glitt ein nimmermüde werdendes Lächeln. Als die Brautleute nun zur Kutsche schritten, deren Tür vom Fahrer galant offengehalten wurde, bildeten wir automatisch ein Spalier, durch das die beiden schritten.
Karin Becker und Will Mallmann nahmen den Beifall lächelnd zur Kenntnis. Beide waren sogar etwas rot geworden.
Sie flüsterten miteinander. Ich hörte zufällig einige Worte, als sie sich mit mir auf gleicher Höhe befanden.
Karin Becker sagte: »Ich wundere mich, daß die Kinder und meine beiden Kolleginnen nicht hier sind.«
»Vielleicht ist der Bus im Stau steckengeblieben«, erwiderte Will Mallmann ebenso leise.
»Kann sein.«
Dann waren die beiden vorbei und stiegen in die Kutsche, wobei Will seiner Braut galant die Hand reichte.
Bei mir im Gedächtnis klickte etwas. Kinder – Lehrerin – Bus. Hatte Jane nicht von einem fliegenden Bus geredet inmitten einer Wolke?
Ich warf ihr einen schnellen Blick zu. Jane hatte die Worte der Braut wohl nicht vernommen, ihre Blicke waren nur auf das Hochzeitspaar gerichtet.
Ich verscheuchte die trüben Gedanken wieder, doch ein unangenehmes Gefühl blieb zurück.
***
Jutta Mehnert wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war. Als sie auf die Uhr blickte, stellte sie fest, daß sich die Zeiger nicht von der Stelle
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