0081 - Ich galt als Verräter
Namen.
»Dieses Feuerzeug verlor ein Mann, der in der vorigen Woche drei Meteorologen auf ihrer Insel vor Long Island überfiel, einen niederschlug und alle drei zum Verlassen der Insel zwang. Die drei erstatteten natürlich Anzeige, dabei legten sie dieses Feuerzeug vor mit der Behauptung, ihr Entführer hätte es bei einem kurzen Kampf verloren, und sie hätten es sich angeeignet. Die Anzeige ging gestern abend spät noch von der City Police zu uns, weil man dort ja weiß, daß wir einen Beamten namens Jerry Cotton haben. Was haben Sie dazu zu sagen?«
Ich zuckte die Achseln.
»Ich hielt es für meine Pflicht, die drei Wissenschaftler von der Insel zu holen, weil ja angedroht worden war, man werde um Mitternacht die Insel mit den Raketen vom Typ Cornwall Able V beschießen.«
»Erstens«, sagte unser Chef mit scharfer Stimme, »hatten Sie keinerlei Auftrag, so etwas zu tun. Zweitens handelten Sie wie ein Gangster mit Maske und Gewalt. Drittens habe ich Ihnen sogar untersagt, in dieser blödsinnigen Raketengeschichte irgend etwas zu unternehmen! Ist die Insel vielleicht beschossen worden? Haben Sie recht behalten oder ich?« Ich schwieg. Denn überzeugt war ich noch lange nicht.
»Da Sie neuerdings mit Ihrer Schußwaffe schon Unsinn anstellen, werden Sie von heute ab abends nicht nur den Dienstausweis, sondern auch Ihre Dienstwaffe abgeben. Alles Weitere erfahren Sie noch!«
Ich legte meinen Dienstrevolver auf den Schreibtisch und ging schweigend hinaus. Träge schnappte die Tür hinter mir ins Schloß.
***
Bis Mittwoch früh tat sich weder bei Phil noch bei mir etwas. Ich hatte noch immer Dienst in der Funkleitstelle, und Phil war noch immer ohne spürbare Resultate hinter seiner Bande in der 98. Straße her. Der Tag verging mit den bei uns üblichen Aufregungen. Abends gegen fünf rief Dr. Gellert bei uns an und verlangte nach mir. Ich nahm das Gespräch an und unterhielt mich ungefähr zehn Minuten lang mit der ebenso klugen wie schönen Frau.
Sie hatte in ihrer Freizeit den Brief analysiert. Unter dem Vorbehalt, daß alles nur Wahrscheinlichkeitsangaben wären, erzählte sie mir über den Briefschreiber folgendes: »Der Verfasser des Briefes hat eine ausgezeichnete Schulbildung genossen, dürfte aber auch aus einfachen Verhältnissen stammen. Leute, die sich ihre Bildung mühsam erarbeiten müssen, neigen oft zu geringfügigen Schwerfälligkeiten im Stil. Sie drücken sich geschraubt aus, weil sie das für gebildet halten. Daher die Vorliebe für das unbeholfene ›im folgenden, nachfolgend usw.‹. Der Bildungsgang dürfte naturwissenschaftlicher, wenn nicht sogar mathematischer Art gewesen sein. Dafür sprechen die strenge Untergliederung des Briefes in logisch bedingte Absätze und der Aufbau des Briefes. Wenn man jeden Satz als eine Art mathematisches Zeichen betrachtet, dann könnte man den ganzen Brief als eine Beweisführung über irgendein mathematisches Problem ansehen. Es folgt ein Satz in der Beweiskraft streng auf den anderen. Das ist ausgesprochen mathematisch und läßt deshalb den Schluß auf folgende Berufe des Briefschreibers zu: Mathematiker, Konstrukteur, Ingenieur oder ähnliches. Indirekt spricht aus den Sätzen, die sich unmittelbar auf den Empfänger des Briefes beziehen, eine gewisse Mißachtung des Managertums und der Großindustrie. Auch das dürfte ein sicheres Zeichen dafür sein, daß der Schreiber ursprünglich aus einfachen, vermutlich armen Verhältnissen stammt. Mit gerade bei diesen Schichten ausgeprägter Wertschätzung des Geldes läuft eine verstohlene Verachtung des Reichtums parallel. Man möchte gern reich sein, aber man verachtet die Reichen, weil man doch nicht zu ihnen gehört.«
Dr. Gellert gab mir noch eine Reihe von Anhaltspunkten, die sie aus dem Stil des Briefes entnommen hatte. Ich notierte mir die wichtigsten Punkte und bedankte mich.
Als ich zu Hause angekommen war, klingelte es nach einer halben Stunde bei mir an der Wohnungstür. Ich öffnete. Ein Cop von der City Police stand draußen. Er salutierte und sagte: »Entschuldigen Sie die Störung, Sir. Ich würde gern von Ihnen die Unterschrift unter das Protokoll über Buck Allons holen, dann brauchen Sie sich nicht weiter darum zu bemühen.«
»Das ist nett von Ihnen«, sagte ich. »Kommen Sie rein!«
Ich führte ihn ins Wohnzimmer und kippte ihm einen Whisky ein.
»Danke, Sir«, sagte er und schob mir das Protokoll hin.
Ich überflog es. In den ersten Zeilen hieß es, daß man durch einen Anruf
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