0082a - Amoklauf in der Todeszelle
Gespräch weiterging, suchten wir bereits die Karte nach dem winzigen Nest ab.
»Ja, Sir, in Clickson. Und hierhin müssen Sie sofort kommen! Es ist ganz furchtbar… ich kann es kaum beschreiben… es muß einer dieser ausgebrochenen Zuchthäusler gewesen sein, Sir… Sarah Houston ist tot… ermordet, Sir… ich war heute schon zweimal hier und dachte, sie wäre nicht zu Hause… Vorhin kam ich das dritte Mal, da fuhr ein Jeep von ihrem Hause weg… Die Haustür stand offen und da bin ich hineingegangen… oh, Sir, es…«
Er brach ab. Ein Schluchzen war zu vernehmen, ein trocknes, krampfartiges Schluchzen.
»Wir fahren sofort ab«, sagte Lindquist. »Sarah Houston. Okay. Bleiben Sie in der Nähe des Hauses oder am besten vor der Haustür. Niemand soll hineingehen! Ha-( ben Sie das verstanden? Niemand darf das Haus betreten! Wir sind in etwa einer halben Stunde da! Ende!«
Lindquist legte den Hörer auf und sah uns an.
»Es hörte sich nach einer alleinstehenden Frau an«, sagte Regner.
»Es hörte sich nach Morgory an«, ergänzte Phil diesen Gedanken. »Nach dem Mann, der bereits den Waldaufseher überfallen hat!«
»Wir werden es ja sehen«, knurrte ich. »Los, beeilen wir uns!«
Diesmal fuhren wir mit zwei Wagen. Voran Regner und Lindquist in einem Streifenwagen, dahinter Phil und ich im Jaguar. Regner saß vorn am Steuer und er gab sich Mühe, Zeit herauszufahren. Aber da wir keinen der großen Highways benutzen konnten, sondern unsere Fahrt immer über kurvenreiche Landstraßen zweiter Ordnung ging, war trotz unserer gellenden Sirenen nicht an Höchstgeschwindigkeit zu denken, beim Jaguar natürlich am allerwenigsten.
Trotzdem schafften wir die ungünstige Strecke in verhältnismäßig kurzer Zeit. Wir brauchten im Dorf nicht erst anzuhalten und uns nach dem Weg zu erkundigen, denn eine für dörfliche Verhältnisse riesige Menschenansammlung in der Abenddämmerung verriet uns deutlich genug, wohin wir uns zu wenden hatten.
Unsere Sirenen drückten die Menge ein wenig von der Straße zurück, so daß wir bis vors Haus fahren konnten. Als wir ausgestiegen waren, hielten wir eine mehr als kurze Lagebesprechung ab.
»Phil und ich sehen uns rasch um«, sagte ich. »Lindquist, Sie suchen inzwischen den Mann, der telefoniert hat, und Sie Regner, hören sich schon mal ein bißchen um, ob jemand einen Mann im Jeep gesehen hat und wohin der Jeep fuhr.«
Die anderen nickten, und wir liefen auseinander. Phil und ich hielten die Köpfe gesenkt und achteten auf den Boden, denn wir wollten keine eventuell vorhandenen Spuren zertrampeln.
Die Haustür stand sperrangelweit offen. Dahinter lag sofort das große, aber überladen eingerichtete Wohnzimmer. In diesem Raum brannte zwar Licht, aber es befand sich niemand darin.
Auf Zehenspitzen tappten wir quer durch das Wohnzimmer zu einer Tür, die rechts lag. Sie führte in eine kleine Küche, die aber auch leer war. Eine andere Tür weiter links davon war geschlossen. Phil wickelte sich das Taschentuch um die Fingerspitzen und berührte die Klinke mit zwei Fingern und nur am äußersten Ende. Die Tür ging mit einem leisen Quietschen auf.
***
Die Mordkommission unter Sam Unaussprechlich kam. Es war mehr eine Formsache. Daß hier nur Morgory gewütet haben konnte, sah man auf den ersten Blick, wenn man sein Strafregister kannte.
Unterdessen sprachen Phil, Lindquist und Regner mit den Einwohnern von Clickson. Die Leute waren aufgebracht bis zur Weißglut. Niemand machte ein Hehl daraus, daß die beiden Schwestern nicht sonderlich beliebt gewesen seien. Aber beliebt hin, beliebt her — sie waren zwei Bürgerinnen von Clickson gewesen. Und sobald ein Fremder jemandem aus Clickson auf die Füße treten wollte, hielten die Leutchen dort zusammen wie eine einzige einträchtige Familie.
Rätselhaft blieb der Verbleib von Nelly Houston. Natürlich hatte man sofort nach dem grausigen Fund der ermordeten Schwester Nelly unterrichten wollen. Aber sie war nicht in ihrem Haus, und sie war im ganzen Dorf nicht aufzutreiben. Obgleich der noch immer anwesende Pfarrer der Nachbargemeinde bestätigte, daß er sie noch vor ungefähr einer anderthalben Stunde in ihrem Häuschen gesprochen hätte. Man mußte gewisse Befürchtungen hegen…
Der Bürgermeister rief nach einigem Überlegen alle erwachsenen Männer im Saal des Dorfgasthauses zu einer Bürgerversammlung zusammen. Wir waren nicht böse darüber, denn auf diese Weise verringerte sich die Zahl der neugierigen Gaffer vor
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