0086 - Kreuzfahrt der Skelette
Lange. So lange du willst…«
Ich schluckte trocken. »Wie fühlen Sie sich, Suzie?« fragte ich das Mädchen heiser. Sie reagierte nicht auf meine Frage. Ich legte behutsam meinen Arm um sie und führte sie zu einem Sessel. Mit sanftem Druck bedeutete ich ihr, sie solle sich setzen.
Sie nahm Platz, und ihr Blick war in eine unendliche Ferne gerichtet. Ich eilte zum Telefon und rief die Polizeistation an.
Augenblicke später hatte ich Sergeant Jack Basil an der Strippe. Er ließ mich nicht zu Wort kommen. »Oberinspektor Sinclair!« stieß er nervös hervor. »Gut, daß Sie anrufen. Ich mache mir Sorgen um Inspektor Mae. Er scheint vom Erdboden verschwunden zu sein.«
»Er treibt sich mit Suko im Hafengebiet herum.«
»Immer noch?«
»Jedenfalls vermute ich das.«
»Wenn ich bloß wüßte, was ich tun soll. Ich möchte nichts falsch machen, verstehen Sie? Es ist ohnedies schwierig genug, mit dem Inspektor auszukommen…«
Ich hatte keine Geduld, dem Sergeant länger zuzuhören, deshalb fiel ich ihm ins Wort: »Hören Sie, Basil, ich befinde mich in Keith Kalleys Haus…«
»Ist er wieder aufgetaucht?«
»Ja. Allerdings als Gespenst.« Ich informierte den Sergeant, was sich im Bungalow des Sängers zugetragen hatte.
Als der Sergeant von Suzie Dingos derzeitiger geistiger Verfassung erfuhr, ächzte er: »Das arme Mädchen. Ich veranlasse sofort, daß sie von einem Krankenwagen abgeholt wird.«
»Darum wollte ich Sie gerade bitten«, sagte ich.
»Werden Sie sich anschließend um Inspektor Mae und Suko kümmern?«
»Das versteht sich wohl von selbst«, sagte ich und legte den Hörer in die Gabel.
Suzie Dingo hatte kein Wort von dem Telefonat mitbekommen. Sie starrte die gegenüberliegende Wand an, lächelte verträumt und flüsterte immer wieder, sie würde die Geduld aufbringen, um auf Keith Kalleys Rückkehr zu warten.
Ich ging zu ihr und strich sanft über ihr Haar. »Du wirst einen anderen Keith Kalley finden. Den, den du geliebt hast, hat dir Kapitän Diabello genommen.«
***
Suko kam mit einem Brummschädel zu sich. Er brauchte eine Weile, bis er begriff, wo er war. Gedankenfetzen flogen durch seinen Kopf.
Ron Woodland… Leuchtturm… Inspektor Mae… Einsturz der altersschwachen Wendeltreppe…
Suko wollte sich erheben, doch so einfach ging das nicht. Er mußte sich erst aus dem Schutt herausbuddeln. Klappernd rollten ein paar Steine von ihm fort. Eine Menge Staub bedeckte den Chinesen.
Er stand auf und stolperte vorsichtig über die Trümmer der Wendeltreppe. Plötzlich vernahm er ein Wispern und stutzte.
»Er muß immer noch im Leuchtturm sein!« hörte der Chinese jemand sagen.
»Bist du sicher, Ron?« fragte jemand anders.
War mit Ron etwa Ron Woodland gemeint? Redeten dort draußen vielleicht zwei von den drei verschwundenen Fischern miteinander?
Suko verhielt sich still. Er bewegte sich nicht, atmete ganz flach.
»Er ist noch nicht aus dem Turm herausgekommen«, sagte Ron. »Also muß er noch drin sein.«
»Gut. Suchen wir ihn.«
Schritte. Sie näherten sich dem Leuchtturmeingang. Suko wandte sich hastig um. Die Möglichkeit, sich nach oben abzusetzen, existierte nicht mehr. Die Wendeltreppe war nur noch fragmenthaft vorhanden. Suko huschte an der rauhen Wand entlang.
Er erreichte ein schmales Fenster und beschloß, durch dieses erst mal ins Freie zu klettern. Wenn er sich dann aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich gebracht hatte, wollte er überlegen, wie er gegen die Kerle vorgehen sollte. Er dachte an Jeffrey Mae, und er befürchtete, daß dem Inspektor etwas zugestoßen war.
Es war für den koloßhaften Chinesen nicht leicht, sich durch die schmale Fensteröffnung zu quetschen. Einen Moment lang hatte es den Anschein, als würde Suko darin rettungslos steckenbleiben.
Doch dann schaffte er es doch, sich nach draußen zu schieben – und zwar genau in dem Augenblick, wo Ron und der andere den Leuchtturm betraten.
Geduckt wollte sich Suko davonstehlen. Doch er kam nicht weit, denn plötzlich sprang ihn aus der Dunkelheit heraus jemand an.
Suko, ein Kraftbündel mit unbeschreiblichen Reflexen, reagierte diesmal nicht schnell genug. Vermutlich war die vorangegangene Ohnmacht daran schuld. Ein Faustschlag brachte den Chinesen ins Wanken.
Er wirbelte herum und stellte sich, sah ein bleiches Gesicht und hieb sofort danach. Als seine Faust traf, verwandelte sich der Gegner.
Er wurde zum Skelett.
Suko überwand seine Schrecksekunde blitzartig. Er griff den Knochenmann
Weitere Kostenlose Bücher