0088 - Die weißen Teufel von New York
der Tat noch in Connecticut oder schon in New York zu suchen ist. Auf jeden Fall werden zwischenstaatliche Untersuchungen nötig sein, die nur das FBI durchführen kann. — Dienstag darauf: Der Rechtsanwalt Lish wird ermordet. Er ist Neger wie Vanderloom, er hat sich wie dieser einen Namen im Kampf um die politische, soziale und gesellschaftliche Anerkennung des Negertums gemacht, er wohnt wie Vanderloom in Harlem. Die auffälligen Parallelen bestimmen das FBI, auch diesen Fall zu übernehmen, obgleich zunächst eigentlich nur die Stadtpolizei zuständig wäre. — Frage des FBI: Wer wird der nächste sein? Denn es gibt keinen Grund zu der Annahme, daß die Serie dieser Mordfälle plötzlich abreißen sollte, bevor die Täter verhaftet sind… Well, das war alles, was ich Ihnen sagen wollte.«
Ich nahm meinen Hut und stand auf. »Entschuldigen Sie, daß ich Sie nochmals gestört habe. Gute Nacht.« Langsam ging ich zur Tür. Als ich die Hand auf die Klinke legte, rief Mrs. Vanderloom plötzlich:
»Mr. Cotton!«
Ich drehte mich um.
»Ja?«
»Können Sie deutlicher ausdrücken, was Sie sagen wollten?«
Ich drehte meinen Hut.
»Sicher«, sagte ich. »Sicher kann ich das. Sollte es noch zu weiteren Morden an unschuldigen Menschen kommen, was durchaus möglich ist, dann trägt nicht mehr die Polizei die Schuld. Dann sind jene Menschen dafür verantwortlich, die sich weigerten, der Polizei zu helfen. Die sich alle Mühe gaben, die Mörder zu decken — aus welchen Motiven auch immer. Klar genug?«
Ich sah sie offen an. Sie senkte den Kopf und dachte offenbar eine Weile nach. Dann schien sie einen Entschluß gefaßt zu haben, denn sie hob plötzlich ruckartig den Kopf und sagte:
»Ich verstehe. Es muß mit weiteren Verbrechen gerechnet werden. Allein schon aus diesem Grunde ist es dringend nötig, den oder die Täter möglichst rasch dingfest machen zu können. Klar genug?«
Ich grinste. Sie hatte eine außerordentlich gewandte Art, es einem beinahe liebenswürdig heimzuzahlen. »Genau«, sagte ich.
»Gut. Ich sehe es ein. Ich fühle mich nicht wohl dabei aus den Gründen, die ich Ihnen dargelegt habe, aber ich sehe es ein. Ich werde alle Fragen beantworten. Fangen Sie an…!«
Ich fischte mir meine Zigaretten aus 3er Tasche, machte eine fragende Geste, die mit einem zustimmenden Nicken beantwortet wurde, und steckte mir eine an. Dann begann ich…
***
Phil ging die beiden Querstraßen zurück. Er fand leicht das Haus des ermordeten Rechtsanwaltes, denn eine Ansammlung von Wagen stand vor der Haustür, die Phil auf den ersten Blick als FBI-Fahrzeuge erkannte. Außerdem war der große Einsatzwagen der Mordkommission dabei.
Ein paar Polizisten vom nächsten Revier hatten die Absperrung übernommen. Wenn in New York etwas los ist, schießen die Reporter wie Pilze aus der Erde. Der Himmel allein weiß, woher sie immer so schnell die Dinge erfahren, die geschehen sind. Fast scheint es, als unterhielte jeder Reporter in jedem Straßenzug ein Netz von Agenten, was sich allerdings nicht einmal die größten Reporter-Asse leisten könnten.
Ein Cop wollte Phil am Betreten des achtstöckigen Hauses hindern. Phil zeigte ihm den Dienstausweis und wurde sofort eingelassen. Er stieg die Treppen hinauf, weil er aus Erfahrung wußte, daß in solchen Fällen immer als erstes der Fahrstuhl gesperrt wird. Es haben nämlich schon unglaublich viele Gangster ihren Daumenabdruck auf dem Bedienungsknopf des Fahrstuhles zurückgelassen, selbst wenn sie am eigentlichen Tatwort so vorsichtig waren, daß nicht ein Härchen von ihnen zurückblieb.
Die Lishs wohnten im dritten Stock. Sie hatten die ganze Etage, die eigentlich aus zwei Wohnungen bestand. Links befanden sich die Büroräume des Anwalts, rechts lag die Wohnung. Auf dem Treppenabsatz standen ein paar Männer, die Phil als Kollegen erkannte. Unser Fotograf war dabei, sein Gehilfe, zwei Protokollführer und ein paar andere.
Lewis Sterne befand sich unter ihnen. Als er Phil die Treppe heraufkommen sah, winkte er ihm zu und sagte:
»Hallo, Phil! Der Chef hat mich schon verständigt, daß du und Jerry sich um die Sache kümmern wollen.«
Phil nickte.
»Ja. Leitest du die Mordkommission, Lewis?«
»Yeah«, sagte er gähnend. »Im Augenblick ist tote Stunde.«
Mit »toter Stunde« bezeichneten unsere Leute die Zeit, in der die Spezialisten vom Spurensicherungsdienst arbeiten. Dabei darf dann kein anderer an den Tatort, denn er könnte Spuren zertrampeln: vielleicht mit
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