0088 - Die weißen Teufel von New York
seinem Absatz ein bißchen Erde hinterlassen, die man dann hinterher als vom Täter eingeschleppt hält, oder ein Härchen mit seiner Sohle mitnehmen, auf das es gerade angekommen wäre.
»Du kannst mir ja inzwischen schon erzählen, was du gesehen hast«, schlug Phil vor.
Lewis zuckte die Achseln.
»Da ist nicht viel zu erzählen. Borg Lish liegt auf dem Teppich seines Arbeitszimmer. Ziemlich viel Blut rings herum. Ich tippe auf vier bis sechs Messerstiche. Außerdem müssen es mehrere gewesen sein. Mindestens zwei.«
»Warum?«
»Na, du solltest dir mal die Figur des Toten ansehen, nachher. Gutes Halbschwergewicht und anscheinend prima in Form. Den sticht ein einzelner nicht so ohne weiteres ab. Es muß mindestens einer dabei gewesen sein, der ihn abgelenkt hat. Dann konnte der zweite zustechen.«
»Was macht die Frau?«
Lewis machte ein ernstes Gesicht. »Das sieht böse aus. Wenn sie gebrüllt und geweint hätte, wäre es gut. Aber sie sagte überhaupt nichts. Saß im Sessel, als wir kamen. Rührte sich nicht. Gesicht wie aus Marmor. Frißt alles stumm in sich hinein. Das ist nicht gut. Der Zusammenbruch kommt dann später — und um so schlimmer. Ich habe unseren Arzt zu ihr geschickt. Vielleicht kann er ihr helfen.«
Eine Weile schwiegen sie. Aus den Anwaltsräumen hörte man Geräusche von der Arbeit des Spurensicherungsdienstes. Möbel wurden gerückt. Fenster aufgeriegelt. Millimeterweise würde man alles untersuchen, jede Möglichkeit in Betracht ziehen, jedes Härchen vom Teppich mit Pinzetten aufheben und in Glasröhrchen verpacken. Nach vierundzwanzig Stunden würde das Labor mitteilen, welche Leute im Arbeitszimmer des Anwalts Haare verloren hatten. Die biochemische Haaranalyse fördert die unglaublichsten Dinge zutage. Unsere Wissenschaftler sagen Ihnen auf Grund ihrer Untersuchung von ein oder zwei Haaren, ob Sie leberkrank sind und viel oder wenig Fett essen und hundert andere Dinge mehr. Das sind oft wertvolle Anhaltspunkte.
»Laß vor allem die Papiere genau durchsuchen«, riet Phil dem Kollegen. »Vor allem laß Ausschau halten nach einem Drohbrief. Lish setzte sich ja sehr für seine Artgenossen ein. Vanderloom tat es auch. Er bekam einen Drohbrief in dieser Richtung — und sechs Tage später wurde er umgebracht. Ich bin ziemlich sicher, daß es sich hier um die gleichen Täter handelt wie im Falle Vanderloom. Es gibt viel zu viel Parallelen, als daß es zufällige Übereinstimmung sein könnte.«
Lewis Sterne nickte »Ich werde daran denken«, versprach er. »Danke für den Tip. Na, Joe, wie weit seid ihr?«
»Das Arbeitszimmer des Anwalts ist frei. Wir haben eine Menge Fingerspuren gefunden. Mindestens ein Dutzend verschiedener Leute.«
Ein Mann vom Spurensicherungsdienst sagte es, der aus der linken Wohnung herausgekommen war, wo sich die Büroräume befanden. In der Hand hielt er ein Päckchen von Tatortspurenkarten, auf denen die gesicherten Fingerabdrücke unter den durchsichtigen Folien klebten.
Lewis Sterne winkte den Kollegen. »Kommt, sehen wir uns die Papiere an! Jedes Blatt wird gelesen. Was den leisesten Tatverdacht aufkommen läßt oder auch nur den schwächsten Grund für ein Motiv liefert, wird registriert und beschlagnahmt. Los, Boys!«
Sie gingen hinein. Phil blieb stehen. Es hatte wenig Zweck, jetzt mit hineinzugehen. Er würde die Kollegen von !er Mordkommission nur in der Arbeit stören. Er beschloß, mir entgegenzugehen.
Langsam stieg er die Treppen wieder hinab. Vor drei, vier Stunden war hier kein Überblick zu erwarten.
Vor dem Hause hatte sich die übliche Menge von Neugierigen eingefunden. Kopf bei Kopf standen sie hinter der Absperrungskette der Cops. Phil hielt Ausschau nach mir, aber er konnte nichts sehen. Die Gaffer versperrten die Sicht.
Er duckte sich und schob sich unter den ineinanderverhakten Armen zweier Polizisten hindurch, um sich durch die Menge zu drängeln. Als er es endlich geschafft hatte, hiel ihn plötzlich jemand am Ärmel fest.
»Hallo, Decker!« sagte eine weinerliche Stimme.
Phil drehte sich um. Hinter ihm stand Loshville, der Gerichtsreporter des World Evening Star. Er macht immer ein Gesicht, als trüge er das ganze Leiden der Menschheit allein auf seinen schmalen Schultern.
»Hallo, Loshville«, grüßte Phil. »Na, Sie können’s nicht erwarten, was?«
Loshville zappelte nervös herum. »Mensch, Decker!« schnaufte er. »Wenn das FBI von vornherein einen gewöhnlichen Mordfall übernimmt, dann ist das doch kein
Weitere Kostenlose Bücher