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0088 - Die weißen Teufel von New York

0088 - Die weißen Teufel von New York

Titel: 0088 - Die weißen Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die weißen Teufel von New York
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war. Fast in der Mitte des Zimmers stand ein großer Schreibtisch, hinter dem eine Frau saß.
    Es war eine Negerin. Sie mochte dreißig oder fünfundreißig Jahre alt sein und hatte ein außerordentlich durchgeistigtes Gesicht. Eine elegante Hornbrille lag vor ihr auf dem Schreibtisch. Im Aschenbecher qualmte eine Zigarette. Die Frau trug ein Kostüm von zartem Rot, das vorzüglich zu ihrer dunklen Hautfarbe paßte.
    »Guten Abend«, sagten wir artig und zogen unsere Hüte. »Wir kommen vom FBI — das ist Phil Decker, ich heiße Jerry Cotton. Hier sind unsere Legitimationen.«
    Wir legten ihr die beiden Dienstausweise vor. Sie streifte sie nur mit einem flüchtigen Blick und sagte dann:
    »Ich weiß, Gentlemen. Sie sind mir dem Aussehen nach bekannt. Sie waren doch die beiden G-men, die Little Hill vom Rassenwahn gesäubert haben, nicht wahr?« [1]
    Wir mußten unwillkürlich grinsen. Die Frau mußte ein fabelhaftes Gedächtnis haben, denn die Sache mit Little Hill war schon eine Weile her. Wir nickten und setzten uns in die Sessel, die sie uns mit einer Handbewegung anbot.
    »Sie kommen sicher wegen der Ermordung meines Mannes?« fragte sie.
    Wir nickten wieder. Well, es ist eine der scheußlichsten Szenen, die man in unserem Beruf erlebt: wenn man den Angehörigen eines Ermordeten gegenübertreten muß. Ich überließ Phil die Aufgabe, unser Beileid auszudrücken. Er versteht sich auf so etwas besser als ich. Nach einem kurzen Schweigen sagte ich:
    »Diesen Fall wird das FBI übernehmen. Wir haben heute nachmittag schon die Akten der Mordkommission durchgelesen, fanden aber einige Unklarheiten. Nun möchten wir uns darüber informieren. Dürfen wir Ihnen Fragen stellen?«
    Die Frau nickte eifrig.
    »Natürlich! Aber vorher möchte ich Ihnen gern sagen, daß ich es als eine Ehre auffasse, wenn das FBI den Fall übernimmt. Allerdings fürchte ich, wird es der bekannten Tüchtigkeit des FBI wohl gelingen, den oder die Mörder meines Mannes zu finden…«
    Uns blieb für eine Sekunde die Sprache weg.
    »Das fürchten Sie?« wiederholte Phil fassungslos.
    »Ja. Ich darf Ihnen meine Gründe dazu sagen? Sehen Sie, ich glaube, bestimmt, daß mein Mann aus religösen und rassischen Gründen ermordet wurde. Er war Neger, wie ich. Unter unsagbaren Entbehrungen hat er sich sein Studium erhungert, während ich es etwas leichter hatte. Meine Eltern waren nicht gerade wohlhabend, aber doch auch nicht mittellos. Wir lernten uns auf der Universität kennen. Ein paarmal kam es zu Rassenkrawallen. Wir mußten durch ein Spalier brüllender, spuckender und manchmal sogar schlagender Menschen. Auf diese Weise wollte man uns am Besuch der Universität hindern. Nun, wir haben es ausgehalten und beide unsere juristischen Staatsexamina abgelegt und den Doktor gemacht. Aber aus dieser Zeit rührt unser unverrückbarer Wille, im Namen des Rechts, vor dem doch alle gleich sein sollen, für unsere Rassegenossen zu kämpfen. Wir wollen ihnen helfen, überall da, wo sie unterdrückt werden. Mein Mann war auf dem besten Wege, sich im Kampfe um die Verwirklichung der Gleichberechtigung des Negers einen Namen zu machen. Deswegen wird man ihn umgebracht haben, und deswegen wünsche ich nicht, daß der oder die Mörder gefunden werden — wenigstens nicht von der Polizei.«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Den Zusammenhang verstehe ich nicht.«
    Sie lächelte.
    »Dabei ist es so einfach. Sehen Sie, wir Neger werden seit Jahrhunderten wie Menschen zweiter oder dritter Klasse behandelt, ausgebeutet, versklavt und unterdrückt. Alles aus einem Haßgefühl heraus, für das es keine sachlichen Gründe gibt. Nehmen wir nun an, der oder die Mörder meines Mannes würden von der Polizei gefunden. Mit welcher Strafe hätten sie zu rechnen?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Da es sich doch wahrscheinlich um einen kaltblütig geplanten, also einen vorsätzlichen Mord handelt, dürfte die Todesstrafe zu erwarten sein.«
    Die Frau nickte, als hätte sie diese Antwort erwartet.
    »Sehen Sie!« rief sie aus. »Man wird also einen Mörder hinrichten, der des Gefühls ist, keine unehrenhafte Tat vollbracht zu haben. Er wird Angehörige und Kinder haben. Wissen Sie, was seine Hinrichtung bei diesen Menschen zur Folge haben wird? Sie werden die Neger hassen, weil sie — wie sie glauben — daran schuld sind, daß ihr Mann oder Vater oder Bruder sterben mußte.«
    »Na, nun verschlägt es mir die Sprache«, sagte Phil. »Sie drehen die Dinge ja völlig um! Weil der Mörder

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