0088 - Die weißen Teufel von New York
Wagen.«
»Warum?«
»Ich möchte noch einmal mit der Frau sprechen. Vielleicht ändert sich jetzt etwas in ihrer Einstellung, da sie sieht, daß ihr Schweigen Mörder begünstigt, die nicht haltmachen.«
Phil schob die Unterlippe vor.
»Kein schlechter Gedanke«, sagte er. »Na, dann bis gleich!«
Wir stiegen beide wieder aus. Mit einem kurzen Winken trennten wir uns. Keiner ahnte, wie lange es dauern sollte, bis wir uns wieder treffen konnten…
***
Ich ging noch einmal hinein. Die Frau sah mich überrascht an.
»Haben Sie etwas vergessen, Mr. Cotton?«
Ich machte eine vage Handbewegung, die alles bedeuten konnte, und fragte: »Darf ich mich noch einmal setzen?«
»Aber ja! Bitte!«
»Thanks.«
Ich ließ mich in den bequemen Sessel fallen. Ich hatte noch leichte Schmerzen im Rücken von einigen tiefen Brandwunden, deshalb beugte ich mich weit vor, damit mein Rücken ja nicht mit der Sessellehne in Berührung kam.
Es war schon schlimm genug, daß ich mich beim Autofahren immer anlehnen mußte.
»So ein moderner Polizeiapparat ist doch eine feine Sache«, sagte ich nachdenklich. »Lieber Himmel, was müssen die Polizisten vor hundert Jahren für Schwierigkeiten gehabt haben!«
Sie setzte ihre Brille auf und musterte mich fragend.
»Tja«, fuhr ich fort. »Man setzt sich in den Wagen, nimmt den Hörer des Sprechfunkgerätes — und schon erfährt man alles, was sich so in den letzten hundert Minuten getan hat.«
Ich machte eine kleine Pause. Die Frau wurde unruhig. Sie war viel zu klug, als daß sie sich nicht hätte denken können, daß meine lange Einleitung einen bestimmten Grund hatte. Aber sie fragte nicht, sondern wartete, bis ich fortfuhr:
»So wie eben zum Beispiel. Wir setzten uns in den Wagen, sehen, daß unsere Ruflampe brenn' und melden uns. Und wissen Sie, was wir erfahren?«
»Woher soll ich es wissen?«
»Ach ja, natürlich. — Nebenbei: Kennen Sie einen Amtskollegen namens Borg Lish? Er soll hier ganz in der Nähe wohnen.«
Sie runzelte die Stirn.
»Natürlich kennen wir uns. Mein Mann und Lish waren sehr befreundet durch die gemeinsame Arbeit und das gemeinsame Ziel. Die Lishs waren oft Gäste bei uns und wir oft bei ihnen. Frau Lish ist so ein reizendes Geschöpf. Übrigens — sie ist eine Weiße. Es stört Sie hoffentlich nicht«, fuhr sie mit einem bitteren Ton fort, »daß sie so schamlos war, einen Neger zu heiraten?«
Ich sah sie stumm an. Sie senkte den Kopf und murmelte:
»Entschuldigen Sie. Ich weiß, daß gerade bei Ihnen diese Frage purer Unsinn war. Das haben Sie ja in Little Hill bewiesen. Entschuldigen Sie.«
Ich fegte ihre Entschuldigung mit einer knappen Handbewegung zur Seite. »Mrs. Lish liebte ihren Gatten?«
»Sehr. Sonst hätte sie wohl kaum den Bruch mit ihrer Familie auf sich genommen, um Borg zu heiraten.«
»Ja, das ist anzunehmen. Nun, dann ist es um so schlimmer für sie…«
Mrs. Vanderloom stand auf. Sie kam um den Schreibtisch herum und sagte: »Sie wollen doch auf etwas Bestimmtes hinaus, Mr. Cotton? Sagen Sie es! Was sollen alle diese Andeutungen?« Ich stand ebenfalls auf. Sie war einen Kopf kleiner als ich, aber sie hatte den Kopf gehoben und sah mir in die Augen. Ich ließ ihren Blick nicht los, als ich leise erklärte:
»Der Anwalt Borg Lish ist vor zirka einer Stunde ermordet worden.«
Sie wurde blaß unter ihrer dunklen Hautfarbe. Einen Augenblick lang dachte ich, sie würde zusammenbrechen. Aber dann hatte sie sich gefangen und sagte mit einer Stimme, die sehr rauh klang:
»Mein Gott, das ist furchtbar. Die arme Lee. Ich muß sofort zu ihr…«
Sie machte Anstalten, das Zimmer zu verlassen. Ich hielt sie behutsam am Arm fest.
»Einen Augenblick noch, Ma’am!«
Sie sah mich fragend an. Ich deutete auf ihren Stuhl hinter dem Schreibtisch. Zögernd ging sie zurück und setzte sich. Aber sie nahm nur auf der vordersten Kante des Drehstuhles Platz.
»Ich möchte Ihnen sagen, wie diese ganze Angelegenheit beim FBI aussieht«, erklärte ich ihr. »Sie können mir anschließend vielleicht vorwerfen, daß ich nicht sehr zartfühlend gewesen wäre, aber Sie werden mit Sicherheit nicht sagen können, daß ich nicht völlig aufrichtig und ehrlich gewesen wäre.«
Sie neigte leise den Kopf, als wolle sie ihre Zustimmung ausdrücken.
»Mittwoch vor einer Woche«, begann ich. »Ermordung des Rechtsanwaltes Vanderloom in Harlem. Fall wird zunächst vom FBI übernommen, weil Vanderloom aus Connecticut kam und nicht bekannt ist, ob das Motiv
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