0088 - Die weißen Teufel von New York
gewöhnlicher Mord mehr! Was hängt denn dran? Seien Sie nett und geben Sie mir ’nen Tip! Falschgeld? Rauschgift…?«
Er zählte so ziemlich sämtliche Delikte auf, die in den Zuständigkeitsbereich des FBI gehören.
»Nichts von alledem, mein Lieber!« Phil schüttelte den Kopf.
Einen Augenblick lang dachte er nach. Es stand ziemlich fest, daß auch Lish ein Opfer des Rassenfanatismus geworden war. Jedenfalls schien alles dafür zu sprechen. Konnte es negative Folgen für die Ermittlungsarbeit haben, wenn man das jetzt schon der Presse mitteilte? Eigentlich kaum, denn die Täter hatten ja durch ihren Drohbrief an Vanderloom selbst diese Spur geliefert und wußten es auch genau, daß diese Spur existierte.
Phil zog den Reporter am Jackettknopf ein wenig zu sich heran:
»Nichts von alledem«, wiederholte er leise. »Rassenfanatismus. Lish war Neger, genau wie Vanderloom. Und beide hatten sich sehr für ihre Rassengenossen eingesetzt. Das behagte irgendwelchen Idioten nicht, die sich für die Auserwählten halten, nur weil ihre Haut ein bißchen heller ist. So, jetzt müßten Sie den Braten ungefähr riechen, und mehr kann ich Ihnen beim jetzigen Stadium der Ermittlungen noch nicht sagen.«
Loshville machte sich frei und raste schon wie ein Besessener über die Straße auf die nächste Telefonzelle zu. Wahrscheinlich würde er jetzt seiner Redaktion einen furchtbaren Schauerartikel durchgeben. Dachte Phil. Aber diesmal täuschte er sich in Loshville. Er war vernünftiger, als wir gedacht hatten.
Phil ging ein wenig die Straße hinunter, weil ich aus dieser Richtung kommen mußte. Plötzlich stellte sich ihm ein kleiner Junge in den Weg. Er mochte vier, vielleicht fünf Jahre sein. Offenbar ein Mischlingskind, denn zur hellen Hautfarbe kamen die dicken Lippen und das gekräuselte Haar.
»Onkel, bist du ’n G-man?« fragte der kleine Mann.
Phil lachte unwillkürlich. »Allerdings, Chef«, sagte er. »Wie kommst du denn drauf?«
»Wenn du ’n G-man bist, dann soll ich dir den Brief geben, Onkel.«
Der Kleine fuhr in die Hosentasche und brachte einen zerknüllten Zettel zum Vorschein.
»Wer hat dir denn den Brief gegeben?« fragte Phil, der sich auf seine Absätze niedergehockt hatte.
»Ein Onkel.«
»Wie sah er denn aus?«
Der Kleine sah ihn kopfschüttelnd an. »Wie ein Onkel aussieht!« erklärte er.
Sinnlos. Phil nahm den Zettel, zog ihn auseinander und glättete ihn auf dem Handteller. Er war mit Bleistift geschrieben. Phil las:
»Gehen Sie in Richtung auf die Third Avenue. Hinter dem fünften Haus auf der linken Seite ist eine Toreinfahrt. Wenn Sie etwas über den Mord erfahren wollen, können Sie eine Überraschung erleben. Aber kommen Sie sofort!«
***
»Haben Sie einen bestimmten Verdacht hinsichtlich der Täter?« fragte ich. »Am meisten würde mich zuerst interessieren, ob die Täter ihre Motive noch aus jener Zeit herleiten, da Ihr Mann in Connecticut war, oder ob das Tatmotiv in den wenigen Wochen seines New Yorker Aufenthalts zu suchen ist.« Mrs. Vanderloom hatte sich wieder hinter den Schreibtisch gesetzt, an dem früher ihr Mann gearbeitet hatte. Alles an ihr war konzentrierte Aufmerksamkeit.
»Das Tatmotiv wie die Täter sind in New York zu suchen«, erklärte sie überzeugt. »In einem gewissen Sinne beschwor mein Mann die Tat herauf.«
»Wie soll ich das verstehen?«
Die Frau fuhr sich über die faltenlose Stirn. Es war eine müde Geste. »Es ist ungefähr ein halbes Jahr her«, begann sie leise. »Damals bekam mein Mann zum ersten Male Besuch aus New York. Es waren zwei Hilfsarbeiter von der Eisenbahn. Aber sie brachten eine Liste mit, die über vierhundert Unterschriften trug. Mein Mann war damals schon über die Grenzen von Connecticut hinaus als Anwalt der unterdrückten Negerbevölkerung bekannt.« In ihrer Stimme war ein leiser Stolz zu hören. Nach einer Weile fuhr sie fort: »Die Neger hier in diesem Viertel baten meinen Mann, nach New York zu kommen. Sie brauchten ihn. Zwei Mann sprachen es aus, für über vierhundert Leute, die in bitterster Not waren. Sie brachten die unglaublichsten Anschuldigungen vor gegen einen weißen Anwalt, der hier im Viertel seine Praxis ausübte. Er nutzte die Unkenntnis meiner meisten Rassegenossen schamlos aus und verlangte Gerichtsgebühren, die es überhaupt nicht gab, führte Prozesse für sie, deren wahre Kosten er ihnen nachher mitteilte, so daß sie völlig ein seine Abhängigkeit gerieten. Wenn ein Mandant die Rechnung bei ihm
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