009 - Der Folterknecht
abgelegt.«
»Nein!«
»Doch«, beharrte der Folterknecht. »Euer Gnaden brauchen nur noch zu erzählen, was er beim Sabbat mit dem Teufel getan.«
»Wahnsinn!« sagte ich schluchzend. »Es ist nicht wahr. Ich habe den Verstand verloren. Equinus, du mußt den Großinquisitor zu mir bringen. Ich habe ihm etwas Wichtiges mitzuteilen. Ich habe neue Möglichkeiten für den Kampf gegen die Dämonen gefunden. Beeile dich, Equinus! Ich muß Sprenger sprechen, solange ich noch bei klarem Verstand bin.«
»Ja, Euer Gnaden. Ich werde den Ketzerrichter holen.«
Ich hatte nicht mehr die Kraft, gegen die lähmende Ohnmacht anzukämpfen und überließ mich der süßen, schmerzlosen Finsternis.
In meinem Körper war ein Ziehen. Ich schlug die Augen auf, hörte jemanden schreien und glaubte erst, daß ich dadurch geweckt worden war, bis ich erkannte, daß ich selbst schrie.
»Aufhören, Equinus!« ertönte eine fremde Stimme. »Nicht mehr weiterdrehen! Er ist zu sich gekommen.«
Über mir war ein fremdes Gesicht. Der Mund darin bewegte sich, und die Stimme von vorhin sagte in einschmeichelndem Singsang: »Ich habe vernommen, daß du deine Schandtaten eingestehen willst. Bist du bereit, dem Teufel zu entsagen und …«
»Das habe ich schon längst getan!« schrie ich verzweifelt. »Wo ist Sprenger? Wer seid Ihr? Ich habe ihm eine wichtige Entdeckung mitzuteilen.«
»Vertraue dich mir an!«
Ich schloß erschöpft die Augen, riß sie aber sofort wieder auf, als ich die Besinnung zu verlieren drohte.
»Ich weiß jetzt, wie wir die Dämonen entlarven können.«
Und ich sagte ihm, daß ich herausgefunden hatte, wie sehr die Dämonen Menschen mit krankem Geist fürchteten. Daraus ergab sich – und darauf wies ich ihn besonders hin –, daß die Geistesgestörten in den Gefängnissen alle unschuldig waren; und auch jene, von denen man unter der Folter Geständnisse erpreßte, waren frei von jeder Schuld, denn die wahren Dämonen ließen sich durch körperliche Schmerzen nicht einschüchtern. Sie würden unter der Folter nie ihre Zugehörigkeit zur Schwarzen Familie eingestehen. Ich sprach meine Überzeugung aus, daß alle Gefangenen, die ich im Verlies kennengelernt hatte, unschuldig waren, daß es sich um Opfer von Intrigen handelte, ja, daß die Dämonen sie wahrscheinlich der Inquisition ausgeliefert hatten, um so von sich abzulenken.
Vielleicht schärfte der Schmerz meine Sinne, oder mein Verstand arbeitete angesichts der tödlichen Bedrohung so präzise. Jedenfalls durchschaute ich plötzlich alle Zusammenhänge. Die Inquisition, in deren Dienste ich mich selbst gestellt hatte, war kein Mittel, um die Dämonen zu bekämpfen. Sie diente höchstens dazu, den Haß, die Zwietracht und das Mißtrauen unter den Menschen zu schüren und dem Aberglauben zu einer neuen Blüte zu verhelfen. Die Schandtaten, die die wahren Dämonen begingen, würden rechtschaffenen und unschuldigen Menschen untergeschoben werden. Dafür würden die Dämonen schon sorgen. So gesehen war die Inquisition sogar ein Segen für die Schwarze Familie, denn die Opfer, die auf dem Scheiterhaufen, auf dem Schafott und am Galgen den Tod fanden, waren alles Unschuldige, die unter der Folter nur Geständnisse ablegten, um nicht länger gequält zu werden. Unterdessen konnten die Dämonen weiterhin ungestört ihr Unwesen treiben und die Inquisition als Mittel für ihre Zwecke verwenden. Wie klar ich das alles erkannte! Aber ich konnte mich nicht mehr deutlich ausdrücken, denn mir fehlte die Kraft zum Sprechen. Ich merkte es an dem zweifelnden Gesichtsausdruck meines Zuhörers, daß er mir nicht glaubte. Wenn ich nur mit Sprenger persönlich hätte reden können! Er hätte vielleicht die Wahrheit meiner Worte erkannt. Aber Sprenger ließ sich nicht mehr blicken. Vielleicht blieb er mir deshalb fern, weil er mich in diese Situation gebracht hatte und mir gegenüber Schuldgefühle empfand. Ich hätte den Beweis meiner Behauptungen antreten können. Ich wollte der Inquisition am Beispiel von Heinrich Cornelius von Mudt zeigen, woran man echte Dämonen von Unschuldigen unterscheiden und wie man sie vernichten konnte. Doch diesen Beweis konnte ich nicht mehr erbringen, weil man mir nicht glaubte. Ich hätte Mudt natürlich denunzieren können, aber da ich keinen endgültigen Beweis für seine Schuld hatte, unterließ ich es. Denn wenn er trotz aller Indizien, die gegen ihn sprachen, doch kein Dämon war, würde man ihm seine Unschuld nicht glauben. Ich hatte der
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