009 - Der Folterknecht
Strafe gedacht?
»Und Sie haben Baron de Conde nicht verraten?« fragte Dorian.
»Ich dachte, das sei nicht von Bedeutung.«
»Doch, jetzt ist es wieder von Bedeutung. Wenn der Baron und ich ein und dieselbe Person sind, dann fällt Mudts Verhalten ins Gewicht.«
»Ich habe den Baron nicht der Inquisition ausgeliefert«, erklärte Olivaro. »Im Gegenteil, ich hätte ihn sogar gerettet, wenn das in meiner Macht gestanden hätte, denn ich mußte ihm dankbar sein.«
»Warum?«
»Denken Sie nach, Dorian! Es wird Ihnen sicherlich einfallen.«
Der Dämonenkiller schloß die Augen und lehnte sich zurück. Er sah den Baron de Conde vor sich, wie er in seinem Zimmer im Haus der Witwe Mengerdorf seine letzte Tagebuchaufzeichnung schrieb. Es fiel ihm nicht schwer, sich mit dem Baron zu identifizieren.
Vor der Tür hatten Jakob Sprengers Hexenfänger gewartet. Als die Frist des Barons abgelaufen war, nahmen sie ihn mit und warfen ihn zu den anderen Opfern der Inquisition in den Kerker. Dorian sah die Szene ganz deutlich vor sich – so als hätte er sie tatsächlich erlebt. Und er mußte sie auch erlebt haben, denn wie hätte er sonst so genau über den weiteren Leidensweg des Barons de Conde Bescheid wissen können? Er besaß überhaupt keine Unterlagen mehr darüber. Nur seine Erinnerung.
»Ja, ich beginne mich zu entsinnen«, murmelte er. »Ich saß mit den anderen Beschuldigten in einem finsteren, kalten Verlies. Viele von ihnen hatte ich selbst dorthin gebracht …«
Vergangenheit
Ich hoffte nur, daß mich niemand erkannte. Denn wenn die Gefangenen gewußt hätten, wer ich war, hätten sie mich vermutlich in Stücke zerrissen. Es waren nicht wenige unter ihnen, die noch vor wenigen Tagen um ihr Leben gebettelt hatten, es sich von mir hatten erkaufen wollen. Doch ich hatte meine Pflicht getan und sie in den Kerker gebracht, als sich der Verdacht gegen sie erhärtete. Und nun war ich, vor dem sie sich mehr gefürchtet hatten als vor dem Großinquisitor, ihr Leidensgenosse. Aber ich durfte noch hoffen. Sprenger konnte mich nicht wirklich für schuldig halten. Wenn ich ihm erklärte, was tatsächlich auf dem Eulenberg passiert war, und wenn ich ihm schwor, daß ich mich von Asmodi losgesagt hatte, dann mußte er meine Unschuld erkennen. Ich mußte das Opfer einer Verleumdung sein. Es passierte nicht selten, daß Neider einen Unschuldigen denunzierten. Ein Ehemann beschuldigte seine Frau, eine Hexe zu sein, nur weil sie ihm unbequem geworden war und er sich einer jüngeren zuwenden wollte. Ein Schmied beschuldigte einen anderen, mit dem Teufel im Bunde zu stehen, nur weil er sich eines Konkurrenten entledigen wollte.
Solche Beispiele ließen sich endlos aufzählen. Es war Aufgabe der Inquisition, die Unschuldigen herauszufinden und die wahren Dämonen zu erkennen und hinzurichten.
Ich war zusammen mit etwa vierzig Männern und Frauen in dem Verlies. Einige von ihnen waren schon Wochen und Monate hier, das hörte ich aus den Gesprächen heraus. Viele waren halb verhungert und unter der Folter fast zu Tode gequält worden. Sie würden erst von ihren Leiden erlöst werden, wenn sie ein Geständnis ablegten, oder wenn ihre Zugehörigkeit zu den Dämonen durch erdrückende Beweise belegt worden war.
Neben mir lag ein noch junges Mädchen, dem sie eine Hand abgehackt hatten. Sie stöhnte und wimmerte und redete zwischendurch im Fieber wirres Zeug. Ich hörte, daß sie Magd auf dem Gutshof des Grafen Schwerdt gewesen war, dem sein ausschweifendes Leben zum Verhängnis geworden war. Ich kannte seine Geschichte, denn ich selbst hatte diesem Teufelsanbeter das Handwerk gelegt. Man hatte sich schon seit langem zugeraunt, daß der Graf von Schwerdt des nachts – und vornehmlich in Vollmondnächten – in seinen Räumen orgiastische Feste abhielt. Ich hatte meinen Diener Eustache auf dieses Gut geschickt. Er hatte sich das Vertrauen des Grafen erschlichen und dann mit eigenen Augen beobachtet, was in den Vollmondnächten dort vorging. Sein Bericht hatte mich entsetzt. Der Graf hatte mit sechs anderen Herren der vornehmen Gesellschaft, nackt und nur mit schaurigen Masken vor den Gesichtern, ein Dutzend Mädchen zu gotteslästerlicher Unzucht und Grausamkeit am eigenen Körper verleitet.
Eines der Mädchen sei schwanger gewesen und hätte bei diesem schändlichen Treiben ihre Leibesfrucht verloren. Die sieben Edelleute waren nach einem langwierigen Prozeß allesamt enthauptet worden, aber auf dem Gutshof schien weiterhin
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