009 - Der Folterknecht
Inquisition schon zu viele Unschuldige ausgeliefert, als daß ich am Tode eines weiteren Menschen schuld sein wollte. Lieber schwieg ich, auch wenn ich dadurch einen Dämon verschonte.
Mein Leben war sinnlos geworden, schon von dem Tage an, seit ich den Tod meiner Frau und meiner Kinder auf dem Gewissen hatte. Aber welchen Sinn sollte es haben, daß ich gefoltert wurde? Diese Frage stellte ich Equinus, als der ehrwürdige Mann, der als Vertreter des Inquisitors gekommen war, sich wieder entfernt hatte.
»Ihr müßt sühnen, Euer Gnaden«, sagte Equinus geifernd und drehte schrill lachend an dem Handrad, wodurch mein Körper gestreckt wurde. »Nur durch die Geißelung Eures Fleisches könnt Ihr die Reinheit Eurer Seele erlangen.«
Bevor mich die Bewußtlosigkeit von meinen Qualen erlöste, kam mir die Erkenntnis, daß Equinus wie ich zu einem Werkzeug der Dämonen geworden war. Meine Schuld als Richter der Inquisition war nicht geringer als seine als Folterknecht und Vollstrecker.
Als der Tag kam, an dem ich mit drei weiteren Opfern zum Scheiterhaufen gefahren wurde, hatte ich keinen heilen Knochen mehr im Leib. Mit mir auf dem Karren fuhr das geistesgestörte Mädchen mit dem Armstumpf, der Vikar von Geching und die Frau des Totengräbers.
Auch Equinus saß auf dem Karren. Er machte Späße für die Menge, die es ihm mit lautem Gejohle dankte. Er schnitt Grimassen, die sein entstelltes Gesicht noch furchterregender erscheinen ließen, er machte den Bürgersfrauen eindeutige Gesten, daß sie sich verschämt abwandten, und trieb auch mit uns seine derben Scherze. Als jemand aus der Menge etwas zu sehen verlangte, hob Equinus die Magd hoch, entblößte ihren Oberkörper und machte ihr höhnisch den Hof. Das Mädchen, das nicht einmal begriff, wohin die Fahrt ging, ging zum Vergnügen der Menge sogar auf Equinus' grausames Spiel ein. Der verwachsene Mann verstand sein Geschäft als Folterknecht. Er wußte, was er seinem Publikum schuldig war; und die Leute lohnten es ihm, indem sie von weit her zu seinen Hinrichtungen kamen.
Ich lag auf dem Rücken im Stroh. Der Vikar hielt meine Hand.
»Ihr müßtet mich doch hassen«, sagte ich.
Meine Stimme klang mir selbst in den Ohren so entstellt wie die von Equinus. Bei jedem Wort, das ich mir mühsam abrang, schmerzte mein gebrochener Kiefer.
»Warum?« fragte der Vikar.
»Ich war es doch, der Euch dieses Schicksal bescherte. Ihr müßt mich hassen.«
Er schüttelte nur den Kopf.
Was für ein Mensch doch der Vikar war! Einen besseren kannte ich nicht; und doch hatte ich seinen Tod verschuldet. Equinus verhöhnte immer noch das bemitleidenswerte Mädchen. Als er ihr jetzt auf Verlangen der Schaulustigen die letzten Reste ihres Kleides vom Körper reißen wollte, schritt ich ein. Da ich mich nicht bewegen konnte, mußte ich mich damit begnügen, seinen Namen zu rufen.
Er hörte mich und ließ das Mädchen los.
»Was begehren Euer Gnaden?« sprudelte er hervor und verbeugte sich vor mir mit schlenkernden Armen. »Euer Gnaden wünschen einen eigenen Auftritt? Ganz wie Euer Gnaden wollen.«
Er rief der Menge zu: »Aufgepaßt, Bürger und Bürgerinnen, jetzt seht ihr Seine Eminenz, den Großinquisitor!«
Nach diesen Worten beugte er sich über mich und hob mich auf die Beine. Der Vikar wollte ihn daran hindern und erhielt dafür einen Fußtritt.
»Da, seht ihn euch an, den gefürchteten Hexenjäger!« rief Equinus.
Ich hing hilflos in seinen Armen und hatte kaum die Kraft, meinen Kopf hochzuhalten. Die Menge verstummte bei meinem Anblick.
»Fürchtet euch nicht vor ihm!« blubberte Equinus. »Er kann euch nichts mehr tun. Er tut nur noch das, was ich will. Wie eine Puppe. Da seht!«
Equinus hob meinen rechten Arm und schlug mir die Hand ins Gesicht.
»Er schlägt sich selbst«, sagte Equinus kichernd, und die Menge stimmte erlöst in sein Gelächter mit ein. »Er bereut, darum schlägt er sich. Er hat mir, als er noch besser sprechen konnte, geschworen, nie mehr mit dem Teufel zu paktieren. Nicht wahr, Euer Gnaden?«
Er packte mich an den Haaren und zog daran, so daß es aussah, als würde ich nicken.
»Er wäre ja allein zum Scheiterhaufen gegangen«, vertraute Equinus der Menge an, »aber seine Beine sind zu schwach. Sie gehorchen ihm nicht mehr. Seht selbst!«
Er ließ mich los, und ich sackte zusammen. Den Aufprall auf dem Wagenboden nahm ich nicht mehr wahr, denn ich verlor schon vorher das Bewußtsein. Als ich wieder zu mir kam, war ich bereits an den
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