0091 - Götzen und gelbe Gangster
ich ihm einen Brocken ans Kinn, das er sofort die Augen verdrehte und schlaff über Phil fiel.
Ich half meinem Freund auf die Seite, indem ich den Ohnmächtigen über ihn wegzog. Schnaufend kam Phil auf die Beine. Er deutete auf seinen zweiten Gegner, der schon bewusstlos vor ihm lag, und stieß keuchend hervor: »Der Kerl kippte mir genau zwischen die Beine, als ich mit dem da gerade einen schönen Jiu-Jitsu-Griff vorhatte. Danke, Jerry…«
Ich sagte nichts, sondern drehte mich um. Der Goliath mit den zwei Messern rappelte sich gerade auf die Beine. Noch kniete er. Dass er der Gefährlichste war, wusste ich von Anfang an.
Er war auch der Gerissenste. Im Knien, mit auf gestützten Händen, schoss plötzlich sein Kopf hoch und gleichzeitig schnellte sein rechter Arm nach vorn. Ich warf Phil mit einem Stoß zur Seite und schnellte mich gleichzeitig in die andere Richtung. Mit leisem Luftzug schwirrte etwas Blitzendes zwischen uns hindurch und fuhr in die Verschalung der Badezimmertür.
Jetzt wurde es mir aber zu bunt. Ich zog meine Kanone noch einmal.
»Steh auf«, sagte ich leise.
Er hörte wohl am Ton, dass es jetzt verdammt emst war.
Zögernd kam er auf die Beine.
»Komm her.«
Er ging langsam auf mich zu. Als er auf drei Yard heran war, ließ ich einfach die Pistole fallen und ging ihn mit den bloßen Fäusten an. Um die anderen brauchte ich mich jetzt nicht zu kümmern. Phil würde mir schon den Rücken decken.
Ich deckte ihn mit einer Serie kurzer, wuchtiger Schläge so ein, dass er an keine Gegenwehr dachte und nur immerfort in einer hohen Tonlage winselte. Ein Uppercut gab ihm den Rest.
Phil grinste mich an. Ich keuchte und rieb mir die Knöchel. Fünf gelbhäutige Halunken lagen mehr oder minder angeschlagen in meinem Zimmer herum. Beulen, blaue Flecke und kleine Platzwunden glänzten an ihren Köpfen und Händen.
»Jetzt möchte ich bloß wissen, wem wir eigentlich diesen unterhaltenden Besuch verdanken«, murmelte Phil.
Ich wollte gerade meine Pistole aufheben, da kam von der Tür her eine scharfe Stimme: »Mir. Keine weitere Bewegung. Eine Maschinenpistole macht mehrere Löcher in einer Sekunde, die halten auch zwei amerikanische Schnüffler nicht aus.«
Ich erstarrte gleichsam in meiner schon halb gebückten Stellung. Langsam hob ich den Kopf.
In der Tür stand ein einzelner Mann, eigentlich mehr ein Halbwüchsiger. Choa Tse, der jugendliche Bandenführer.
***
Anthony Robson saß im Friscoer FBI-Gebäude hinter seinem Schreibtisch und studierte das Protokoll seines Tonbandes, das er von meiner Unterhaltung mit dem Vater des ermordeten Mädchens aufgenommen hatte. Eine Sekretärin hatte nach dem Band das Protokoll getippt, das nun wörtlich unser Gespräch wiedergab.
Aufmerksam, las Robson das Protokoll durch. Als er es fast ganz gelesen hatte, stutzte er. Chenang erwähnte den Namen eines Weißen, der in seiner Wäscherei arbeitete. Ganz nebenbei sagte der Chinese, dass der Mann in der Nähe wohnte.
Also musste Brockly - so hieß der Weiße - im Chinesenviertel wohnen. Die Wäscherei Chenangs lag mitten im Chinesenviertel, und wer in der Nähe wohnte, musste also immer noch in China Town seinen Wohnsitz haben.
Robson stopfte seine kurze Pfeife, zündete sie an und sah gedankenvoll den Rauschschwadennach.
Ein Weißer, der im Chinesenviertel wohnte. Das war ungefähr so, als ob ein erwachsener Mensch sein Bett im Ziegenstall aufgestellt hätte. Grundlos tat so etwas niemand.
Welchen Grund aber konnte Brockly haben, ins Chinesenviertel zu ziehen? Damit ächtete er sich selbst. Kein Mensch würde etwas mit ihm zu tun haben wollen. Die Chinesen nicht, weil sie ihn für einen Verräter seiner Rasse hielten, und die Weißen nicht, weil sie ihn wie einen Chinesen behandeln würden, da er nun einmal freiwillig zu ihnen gegangen war. Gewiss, vor dem Gesetz waren die Chinesen Friscos ebenso gut amerikanische Staatsbürger wie die Weißen, aber deswegen brauchte man sich ja noch nicht privat mit ihnen auf eine Stufe zu stellen. Ihre‘Fremdartigkeit zwang zu einer Grenze zwischen beiden Bevölkerungsteilen, die peinlich genau eingehalten wurde, man brachte zwar seine Wäsche in die chinesischen Wäschereien, weil die viel billiger arbeiteten als gleichartige Unternehmen, die von Weißen betrieben wurden, aber man verkehrte nicht auf der gleichen gesellschaftlichen Stufe mit den Chinesen.
Brockly war freiwillig ins Chinesenviertel gezogen, sagte ich Robson. Denn schließlich hätte ihn keiner
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