0091 - Götzen und gelbe Gangster
waren G-men, Männer, die eine brutale Clique von Mördern zu finden hatten. Wir musste das Problem von einer anderen Seite her sehen.
Ich legte ihm die Hand auf seinen Arm und zog ihm die Hände vom Gesicht. Hart und gerade sah ich ihm in die Augen.
»Verdammt«, sagte ich absichtlich rau, »ich verstehe ja Ihren Schmerz. Aber deswegen benehmen Sie sich doch nicht gleich wie eine Memme. Hören Sie mir eine Minute nur zu, eine einzige. Das ist alles, was ich von Ihnen verlange.«
Er hob langsam den Kopf. Seine Augen glitten an mir vorüber. Aber es sah aus, als ob er zuhören würde.
»Wir müssen damit rechnen, dass solche Morde sich wiederholen«, sagte ich klipp und klar. »Wenn Sie uns jetzt nicht helfen, machen Sie sich mitschuldig an jedem neuen Opfer. Das muss Ihnen klar sein.«
Er wischte sich über die Augen. Müde und resignierend sagte er: »Es hat doch alles keinen Zweck. Lassen Sie mich nach Hause. Ich muss doch - meiner - meiner Frau…«
Hilflos brach er wieder ab.
Ich stand auf. So sehr ich diesen Mann verstehen konnte, so unglücklich ich darüber war, dass es für seinen Schmerz keinen Trost geben konnte, so wenig durften wir jetzt weich werden. Zum ersten Male in der Geschichte dieser furchtbaren Verbrechen waren uns jetzt wenigstens die Namen zweier Opfer bekannt geworden. Wir mussten und konnten ja nur hier einhaken, wenn wir die Bestien der Mörder jemals finden wollten.
Mit einer Kopfbewegung forderte ich meine beiden Kollegen auf, mit mir den Einsatzwagen zu verlassen. Als wir schon an der Tür standen, sagte ich so laut, dass Chenang es hören musste: »Robson, ich möchte, dass Sie Folgendes veranlassen. Wird wieder irgendwo eine derart verstümmelte Leiche eines jungen Mädchens gefunden, dann soll mit ihren Eltern auch dieser Mr. Chenang an die Bahre der Leiche geholt werden. Er soll den Eltern des nächsten Opfers ins Gesicht blicken. Und ich werde ihm dabei sagen, dass dieses Mädchen vielleicht noch leben würde, wenn er heute den Mund aufgemacht hätte.«
Wortlos stiegen wir die Stufen hinab, die wie aus einem Lkw-Führerhaus hinaus führten. Als ich die Tür zuschlagen wollte rief Chenang: »Hallo, Sir. Bitte gehen Sie nicht. Kommen Sie bitte zurück. Stellen Sie Ihre Fragen. Ich werde alles sagen, was ich weiß. Entschuldigen Sie. Ich - ich war am Ende mit den Nerven - entschuldigen Sie.«
***
Wir ließen ihm Whisky und Kaffee besorgen. Wir schalteten das Tonbandgerät ein und platzierten unsere Fragen nach uralter Verhörroutine. Es war vor mittags gegen zehn Uhr gewesen, als wir am Fundort der Leiche eingetroffen waren. Nachmittags gegen vier Uhr verließen wir ihn wieder in Robsons geschlossener und mit Vorhängen gegen Sicht abgeschirmter Limousine.
In den Aufzeichnungen der Mordkommission befanden sich jetzt über vierhundert Namen von Leuten, die einzeln und geheim überprüft werden mussten. In jedem anderen Fall hätte der Leiter der Mordkommission über so viel Kleinarbeit gestöhnt. Robson hingegen war überglücklich, dass er endlich etwas Greifbares zu tun hatte.
»Und wenn es mehr als viertausend wären, mit denen wir uns befassen müssten«, sagte er beim Schluss des Verhörs, »ich bin glücklich, dass wir jetzt wenigstens richtig arbeiten können. Das Überprüfen von vierhundert Spuren ist klare kriminalistische Arbeit. Vorher konnten wir im Dunkeln herumtappen wie Blinde in einem Tunnel.«
Well, auch wir hatten unseren Teil Arbeit zugewiesen bekommen. Zwei Männer waren auf den ersten Blick als besonders verdächtig erschienen, und einer davon war ein Chinese, der im Chinesenviertel wohnte. Diesen Mann sollten wir unter die Lupe nehmen.
Sein Name war Choa Tse und er war jener jugendliche Bandenführer, von dem uns Tschi Mang gesagt hatte, dass er mit seinen halbwüchsigen Gangstern die ganze Gegend terrorisierte.
An einer unbelebten Stelle setzte uns Robson ab. Zu Fuß kehrten wir ins Chinesenviertel zurück. Überhaupt wurde uns bei diesem Fall reichlich viel Asphalttreten zugemutet. Aber es wäre ziemlich sinnlos gewesen, wenn wir uns einen Mietwagen besorgt hätten. In den engen Gassen des Chinesenviertels war damit doch kein Vorankommen.
Wir suchten unser Hotel wieder auf. Kaum hatten wir mein Zimmer betreten, wo wir die ganze Geschichte noch einmal zusammen durchsprechen wollten, da ging die Tür auf, ohne dass angeklopft wurde.
Well, in einem Hotel wird angeklopft, wenn der Besuch normale Absichten hat. Wenn nicht angeklopft wird, dann
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