0091 - Lucifers Bücher
Cumae?«
»Nein, ich will zur Grotte.«
»Die werden wir bald erreicht haben, Herr.«
Nach knapp zehn Minuten sagte Sextus: »Gleich sind wir da.«
»Dann laß halten, Sextus.« Er drehte sich nach den beiden Italienern um, die er angewiesen hatte, dicht hinter ihm zu reiten. In der Dunkelheit konnte er kaum etwas sehen. Darum fragte er: »Sind Sie da, Signori?« Sie meldeten sich.
Zamorras Amulett hatte sich auch schon gemeldet und begann, immer wärmer zu werden.
»Signori, Sie beide bleiben bei Sextus und seinen Männern und warten, bis ich zurückkomme.«
»Und wenn das nicht der Fall sein sollte, Professore?« fragte Trifallini, der viel lieber in der Nähe Zamorras geblieben wäre, denn der kannte sich doch in dieser verdammten Gegend und unheimlichen Antike erstklassig aus. Der konnte sich in zwei Sprachen mit den Leuten hier unterhalten, sie aber verstanden kaum ein einziges Wort.
»Wenn ich nicht zurückkommen sollte, dann versuchen Sie beide, mit Sextus Mater-Domina zu erreichen. Sie wird Ihnen helfen. Nur werden Sie dann Florenz nie wiedersehen. Bereiten Sie sich darauf schon seelisch vor.«
»Feiner Trost«, knurrte Luigi Mente aus dem Dunkeln heraus, »aber immer besser als in so einem Tempel zur Salami geräuchert zu werden. Kommen Sie bald und gesund wieder, Professore.«
Das wünschten ihm Trifallini und der Römer Sextus auch.
Zamorra glitt vom Pferd, drückte Sextus die Zügelleine in die Hand und verschwand in Richtung der Grotte, die der Römer im angezeigt hatte.
Das Amulett auf seiner Brust war heiß geworden. Unwillkürlich holte er es hervor und umschloß es fest.
Er ahnte, daß er auf eine Gefahr zuging, von der er sich kein Bild machen konnte.
Irgend etwas im Bereich seines Parasektors begann, ihn zu warnen. Undeutlich, unklar zu warnen. Er versuchte, es nicht mit Gewalt zu begreifen, denn er kannte diese Erscheinung. Sie mußte sich aus sich selbst heraus entwickeln und die Kraft finden, sich ihm gegenüber klar auszudrücken.
Im Para-Bereich!
Domdonar…
Die Seherin Sibylle war seine Mutter, und sie behütete in der Grotte der wahrhaftigen Bücher die rätselhaftesten Schriftrollen des Altertums. Sie, die Geweihte.
Warum hatte ihm Mater-Domina nicht gesagt, daß die Seherin geweiht worden war?
Hatte Mater-Domina diese Weihe nie erhalten?
Und in diesem Ganzen bewegten sich die Luciferen.
Zamorra konnte sich nicht erinnern, jemals von ihnen gehört oder über sie gelesen zu haben. Er, ein Experte, was alchimistische und magische Schriften betraf, hatte auch nicht die kleinste Andeutung über Luciferen in Kampanien gelesen.
Aber auch keine einzige über Domdonar, den Hellseher!
Wie ein Blitz schoß dem Professor die Frage durch den Kopf: Habe ich nicht einmal fest angenommen, daß Domdonar mit seinen Börsenspekulationen in unheimlich kurzer Zeit eine Milliarde gemacht hat? Zur Hölle, was macht ein Mensch aus der Antike mit so viel Geld in der Neuzeit? Und warum bestand Domdonars Klientel fast ausschließlich aus Bankiers?
Zamorra stolperte, aber nicht über einen Stein, nicht über eine Stufe.
Er war über ein unsichtbares Hindernis gestolpert!
Die schwarze Magie trat ihm schon weit vor der Grotte entgegen und versuchte, ihn daran zu hindern, sich ihr noch mehr zu nähern.
Der Parapsychologe hatte alle überflüssigen Fragen abgeschaltet und sich ganz und gar auf sein Ziel und seine Aufgabe konzentriert: Er mußte über die Seherin Sibylle Kontakt zu Domdonar finden, um ihn dann zu zwingen, sie drei wieder nach Florenz und in ihre Zeit zurückzuversetzen.
Da schlug die Warnung wie ein Blitz bei ihm durch. Klar und deutlich: Achte auf die Bücher der Hölle!
Unwillkürlich war er stehengeblieben. Er fühlte so etwas wie Leben in dem unschätzbar kostbaren Amulett, das ein Teil des großen Magiers Merlin war und Jahrhunderte überlebt hatte.
Achte auf die Bücher der Hölle!
Damit konnten nur die Sibyllinischen Bücher gemeint sein, die die Seherin in der Grotte behütete.
Bücher der Hölle!
Welch ein höllisches Gespann waren dann Mutter und Sohn - Sibylle und Domdonar?
»Merlin«, flüsterten Zamorras Lippen.
Er hatte keine Angst.
Noch nicht.
Er starrte in die Nacht. Er sah weder den Sternenhimmel, noch roch er den Duft von Blumen und Blättern. Er hörte nicht das Singen der Nachtigallen, noch sah er die Flammenfackeln aus der Krateröffnung des Vesuvs in die Höhe schießen.
Er, der sich in der Nähe der Grotte der wahrhaftigen Bücher befand, befand
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