0094 - Schreie im Schreckenshaus
erwiderte ich scharf. »Und ich gebe Ihnen indirekt die Schuld.«
»Das ist die Höhe!« stöhnte er auf, holte ein Tuch aus der Hosentasche und wischte sich die Stirn ab. »Das ist wirklich die Höhe. Wollen Sie mich dafür verantwortlich machen, daß…«
»Ja, das genau will ich. Denn ich möchte Sie fragen, wie die Goldbarren in den Sarg kommen?«
Er schwieg einen Moment. »Davon weiß ich nichts.«
»Das nehme ich Ihnen nicht ab.«
»Halten Sie mich für einen Lügner?« Seine Stimme klang plötzlich schrill.
Ich wich bei meiner Antwort aus. »Für wen sind die Särge bestimmt, die Sie dort lagern?«
»Für den Export!« Er merkte selbst, daß er etwas Falsches gesagt hatte, und biß sich auf die Lippe, weil ihm so schnell keine andere Antwort einfiel.
»Dann machen Sie Geschäfte mit Gold?«
»Nein, mit Holz!«
»Aber Sie haben Gold in Ihren Särgen versteckt. Diese Tatsache läßt darauf schließen, daß Sie in den gut florierenden Goldschmuggel eingestiegen sind.«
»Ich wußte von nichts.«
»Sie kannten auch nicht die vier Männer, die in die Lagerhalle eingedrungen sind?«
»Nein.«
»Haben Sie das Wort Mafia schon einmal gehört?« erkundigte ich mich.
»Ja.«
»Und?«
»Es ist eine Erfindung. Die Mafia gibt es nicht.«
»Wer ist Ihr Abnehmer für die Särge?«
»Der sitzt in Neapel. Ich stelle Qualitätsware her. Deshalb auch meine ausländischen Geschäftsverbindungen.«
Ich ritt weiterhin auf dem Gold herum. »Demnach hat die Konkurrenz spitz bekommen, daß Sie in Ihren Särgen Gold verstecken.«
»Ich wußte davon nichts.« Er fiel nicht auf diesen Trick herein.
»Auch nichts von der Leiche?«
Weit riß er die Augen auf. »Welche Leiche?«
Ich erklärte es ihm.
Seine Gesichtsfarbe wechselte. Sie war erst rot gewesen, jetzt wurde sie bleich. Hastig schlug er ein Kreuzzeichen. »Das… das sind doch Horrorgeschichten, die Sie mir erzählen«, erwiderte er.
»Nein, es ist die Wahrheit.«
Scorpios Kopf sank nach vorn. Dabei hob er die Schultern. »Sie können es glauben oder nicht, davon habe ich keine Ahnung.«
Das nahm ich ihm fast ab. In der Goldgeschichte log er, das war mir klar. Ich hatte ihn mit meiner letzten Frage überrascht. Es war auch nicht bei der Mordkommission bekannt, daß Suko und mir ein lebender Toter begegnet war.
Und diese Tatsache hatte Scorpio nervös gemacht.
»Ich binde Ihnen hier keinen Bären auf«, sagte ich. »Es gibt ihn tatsächlich, diesen lebenden Toten. Und er hat in einem Ihrer Särge Unterschlupf gefunden.«
»Aber… das… das verstehe ich nicht.«
»Wie gut kennen Sie Lady Gowan?« schoß ich meine nächste Frage ab.
Da zuckte er zusammen, und ich wußte, daß ich mitten ins Schwarze getroffen hatte. Auch Suko hatte es bemerkt. Er warf mir einen bezeichnenden Blick zu.
»Ich warte auf die Antwort, Mr. Scorpio!«
»Die kenne ich nicht!«
»Jetzt lügen Sie!«
Scorpio sprang auf. Plötzlich war er hochrot im Gesicht. »Sie können das nicht einfach behaupten. Sie brauchen Beweise. Ihr wollt mich festnageln, ihr verdammten Bullen.« Ein Schwall italienischer Worte senkte sich auf uns nieder. Es war gut, daß wir nicht viel davon verstanden, sonst hätte ich mir den Holzhändler wegen Beamtenbeleidigung vorgenommen.
»Verlassen Sie mein Haus!« befahl er und deutete auf die Tür. »Sofort, gehen Sie!«
Wir blieben stur. »Nein, Scorpio, ich möchte endlich Klarheit haben. Vergessen wir die Goldgeschichte. Sie kennen die Lady. Das hab ich bemerkt. Und ich will endlich wissen, woher? Reden Sie, Mann. Noch ist es Zeit, denn in diesem Fall spielen Dinge mit, die Sie gar nicht überblicken können.«
Starr schaute er mich an. Mit beiden Händen fuhr er über sein Gesicht. Von einer Minute zur anderen war er ein gebrochener Mann geworden. Der Name Lady Gowan hatte ihn erschüttert. Mit zitternder Hand griff er nach seinem Rotweinglas, setzte es an und leerte es in einem Zug. Dabei verschüttete er etwas, und der rote Wein rann wie Blut an seinem Kinn entlang.
Wir ließen ihm Zeit. Schwer fiel er wieder zurück in seinen Korbsessel.
»Also gut«, sagte er. »Ich kenne die Lady. Sogar ziemlich gut.«
»Das wußte ich. Jetzt möchte ich allerdings von Ihnen wissen, wie es dazu gekommen ist. Packen Sie aus, Scorpio! Rückhaltlos, denn es sind schreckliche Dinge in Bewegung gebracht worden, die kaum noch zu stoppen sind.«
»Das weiß ich.« Er senkte den Kopf, sein Blick glitt ins Leere. Es kostete ihn Überwindung, zu sprechen, und die
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