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0096 - Die Seelenfänger

0096 - Die Seelenfänger

Titel: 0096 - Die Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
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Wesen, das Zamorra bislang in Daunton zu Gesicht bekommen hatte.
    Sie wollte mit einem Schrei flüchten, als sie den Fremden bemerkte. Dann aber blieb sie doch stehen, halb ängstlich, halb neugierig.
    Stumm musterte sie den unerwarteten Besucher und prüfte seinen Anzug, die Frisur, staunte über die Uhr an seinem Handgelenk und die maßgerecht angefertigten Schuhe.
    »Guten Tag«, grüßte Zamorra.
    Er betrachtete es bereits als einen Fortschritt, daß sein Gruß mit einem stummen Kopfnicken beantwortet wurde.
    Für Daunton schien das schon allerhand an Freundlichkeit.
    »Ich habe das Geschrei gehört und wollte nachsehen«, erklärte Zamorra.
    »Er schnüffelt dauernd überall herum. Er heißt Ron. Ich habe ihn zu meinem fünfzehnten Geburtstag bekommen. Ich heiße Debbie Hogg.«
    Die zauberhafte Erscheinung streckte, jetzt schon wesentlich unbefangener, die Hand aus und Zamorra nahm sie.
    Selbst jemand, der sich nicht gerade zu den Schürzenjägern rechnete, konnte bei dieser Berührung auf Gedanken kommen. Es war einfach unnachahmlich, wie sich diese kleine kühle Hand in die von Zamorra stahl. Der Händedruck war eher eine Liebkosung als eine Begrüßung.
    Zamorra hatte wirklich nicht gewußt, daß ein einfacher Händedruck eine solch starke sexuelle Aussagekraft haben konnte. Aber schließlich konnte er ja nicht Experte auf allen Gebieten sein. Das ureigenste bereitete ihm gerade Kopfzerbrechen genug.
    Der Professor stellte sich vor.
    Es entstand, eine verlegene Pause. Zamorra überbrückte sie, indem er erst einmal Ron aus seiner schlimmen Lage befreite.
    »Wohnen Sie bei Ihren Eltern?« fragte Zamorra.
    »Sie können mich ruhig duzen. Das, machen alle«, entgegnete Debbie. »Nein, mein Vater ist tot. Ich lebe bei meiner Mutter. Sie heißt Kathy. Aber sie hat noch einen zweiten Namen: Candida. Der gefällt ihr besser. Wenn sie Eindruck schinden will, benutzt sie den. Aber im Dorf sagen alle Kathy zu ihr.«
    »Du bist hier geboren?«
    »Ja.«
    »Dann kennst du dich doch hier in der Gegend gut aus?«
    »Würde ich sagen: ja.«
    »Wo gibt es hier einen Turm? Ich suche einen Turm. Ich habe Beweise, daß er hier in der Umgebung existieren muß, aber ich habe ihn noch nie zu Gesicht bekommen.«
    »Ist das so wichtig? Was wollen Sie denn in der alten Ruine?«
    »Heißt das, daß du ihn kennst?«
    »Alle kennen ihn. Ich habe früher dort oft mit meinen Freundinnen gespielt. Eine hübsche Gegend. Dort oben.«
    Sie machte eine vage Richtungsangabe, indem sie weitausholend auf den Kranz der Berge deutete, die Daunton von allen Seiten einschlossen und ihm diese abgeschiedene ruhige Lage erlaubten, fernab jeder Hetze der Zivilisation, ohne Verbindung zu den Dingen, die das Leben eines modernen Menschen bestimmten.
    »Würdest du mich hinbringen?«
    Gespannt schaute Zamorra seine Gesprächspartnerin an.
    Debbie zierte sich. Kokett musterte sie den Professor. Die Prüfung schien zu seinen Gunsten auszufallen. Langsam nickte sie.
    »Wenn Sie versprechen, daß Sie mir nichts tun«, lächelte das Mädchen.
    Zamorra ärgerte sich, weil er rot anlief. Das war ihm lange nicht mehr passiert. Dieses kleine Luder verstand es, Gefahren heraufzubeschwören, von denen Debbie in einsamen Nächten wohl heimlich träumte und phantasierte.
    »Keine Angst. Ich habe noch niemanden gefressen«, meinte Zamorra tapfer und mußte sich gleich darauf räuspern, was seine Verlegenheit nur noch steigerte. Ärgerlich lockerte er den Knoten seines Schlipses, »Kannst du jetzt weg?«, fragte er vorsichtshalber.
    In Daunton war er bereits oft genug angeeckt und wollte nicht noch den letzten Wohlmeinenden verärgern, der ihm geblieben war in diesem vertrackten schottischen Gebirgsnest.
    »Nur jetzt«, versicherte die Kleine. »Kathy schläft immer um diese Zeit. Bis sie wach ist, sind wir längst zurück.«
    »Also ist es nicht weit?«
    »Überhaupt nicht. Mann, suchen Sie etwa einen alten Schatz?«
    »So etwas Ähnliches«, wich der Professor aus.
    Er folgte seiner hübschen Führerin, die aufreizend die Hüften bewegte. Von Zeit zu Zeit drehte sie sich um und lächelte verführerisch.
    Auf jedem Laufsteg und in jeder Schönheitskonkurrenz hätte Debbie sicher hervorragend abgeschnitten.
    Leider dauerte die Freude des Beisammenseins nicht lange. Kaum hatten sie die Straße — oder das, was sich in Daunton dafür ausgab — erreicht, da öffnete sich in der Kate hinter ihnen knarrend ein Fenster.
    »Debbie, mein Engelchen«, ertönte eine unangenehme,

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