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0096 - Die Seelenfänger

0096 - Die Seelenfänger

Titel: 0096 - Die Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
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vergrämen. Er hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß Elder vielleicht doch noch einmal die Zähne auseinanderbekam und ein paar zusammenhängende Sätze von sich gab.
    Elder nahm den Professor an der Hand und zog ihn mit. Sie kehrten zurück unter die Birke, wo im hohen Gras die Abdrücke zweier Körper zu sehen waren.
    Elder öffnete das Buch, stupste Zamorra an und nahm die Haltung eines intensiven und interessierten Zuhörers ein. Natürlich konnte er nicht selbst lesen, aber die Bedeutung der Schrift kannte er wohl.
    »Okay«, willigte Zamorra ein. »Fangen wir an!«
    Er hatte angeblich nach dem Namen des Eigentümers gefahndet. Das Büchlein hatte mindestens schon ein Jahr in dem unzureichenden Versteck gelegen.
    »Unter dem 18. November steht folgendes«, begann Zamorra. »Die Einwohner sind von vorsichtiger Zurückhaltung. Dickschädelige schottische Highlanders! Sie haben meine Geschichte, daß ich eine Motorpanne habe und hier auf Ersatzteile warte, mit Schweigen quittiert. Sie sind mißtrauisch. Es war ein Fehler, ihnen zu gestehen, daß ich den Turm suche. Den Turm, den ich beim Überfliegen des Geländes aus einem Sportflugzeug deutlich gesehen habe. Und den ich jetzt einfach nicht wiederfinden kann. Unmöglich, Erkundigungen einzuziehen. Diese Leute hüten ein Geheimnis.«
    Zamorra hielt inne. Soweit konnte er genau die Empfindungen und Beobachtungen seines unbekannten Vorgängers teilen.
    Elder stieß seinen Vorleser an. Er wollte mehr hören.
    »Am nächsten Tag, am 19. November«, fuhr Zamorra fort, »steht: Ich habe eine erste Spur. Wenn man abends um genau 17 Uhr an der alten Schmiede steht und nach Osten blickt, kann man mit einem guten Fernglas die Spitze des Bauwerkes ausmachen. Der Turm steht zwischen dem Einschnitt, dessen Grenzen gebildet werden vom südlichen Rand des stark bewachsenen Fenwick—Moores und dem Felsen, den ich Devils Fork genannt habe. Weil er aussieht, als bestehe er aus den beiden Zinken der Gabel des Teufels. Morgen werde ich in eine unverdächtige Richtung aufbrechen, einen Bogen schlagen und mein Ziel anlaufen. Ich bin gespannt. Seit mein Entschluß gefaßt ist, erfüllt mich eine merkwürdige Unruhe. Etwas, schnürt mir die Luft ab. Mein Innerstes bebt zurück, den Plan auszuführen. Was habe ich bloß? Habe ich nicht Erkundungsgänge in den entlegensten Winkeln der Erde unbeschadet überstanclen? Warum sollte ich hier, in meiner schottischen Heimat, Gefahren wittern, die wohl nur in meiner Einbildung bestehen?«
    Zamorra blätterte langsam.
    »Nacht vom 19. auf den 20. November. Die Leute haben mein Interesse an dem Turm gespürt, obwohl ich ihn nie erwähnt habe. Es braut sich etwas zusammen. Ich wage nicht mehr, das Bett aufzusuchen. Draußen vor dem Fenster höre ich ständig verstohlene Schritte. Wenn ich hinaussehe, sehe ich schemenhafte Gestalten. Ist das ganze Dorf meinetwegen auf den Beinen? Ich werde streng überwacht! Was hat das alles zu bedeuten? Welchen Widerstand könnte ich schon leisten? Oder hängt es mit dem silbernen geweihten Kreuz zusammen, das an meinem Hals baumelt? Mir ist schon aufgefallen, daß jeder hier in Daunton den Anblick haßt wie die Pest. Völlig hysterisch hat Beryll Donovan, die Frau des Gastwirtes, reagiert, als sie mich im Treppenhaus traf und so dicht an mir Vorbeigehen mußte, daß mein Kruzifix, das ich eher als eine Art Talisman trage denn aus echtem Glauben und Religionseifer, sie berührte. Sie hat Gift und Galle gespuckt. Ich dachte, sie dreht durch. Wenn es zum schlimmsten kommt — habe ich im Kreuz eine unüberwindbare Waffe? Ich glaube, ein Revolver würde hier in Daunton weniger ausrichten.«
    Zamorra schaute auf.
    Die Herde, geführt von jenem schwarzen mächtigen Geißbock, hatte sich um den Hirten versammelt und drängte zum Aufbruch. Wahrscheinlich gehörten die Tiere verschiedenen Besitzern. Sie verbrachten nur einen Bruchteil des Tages auf offener Weide und wollten heim in den Stall. Sie kannten ihre Zeit genau.
    »Weiter«, grummelte Elder Pickett und lachte blöde, weil eine Ziege seine Beine ableckte und ihn anstieß.
    »Zwanzigster November. Was verbirgt der Turm? Ich habe ihn diesmal genau gesehen. Er strahlt eine magische verbotene Kraft aus. Mein Herz klopfte bis zum Hals, obgleich ich nicht näher als eine halbe Meile herangegangen bin. Es herrschte zuviel Betrieb. Es gibt übrigens keine Fenster oder Türen am Turm. Sondern vermutlich einen unterirdischen Einstieg. Denn die Leute, die in der

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