0096 - Die Seelenfänger
gebrochen hatte. Dieser Anblick allein mußte jeden Teufelsanbeter erschrecken, verunsichern und wütend machen. Je nach Temperament und Veranlagung.
»Ich wäre der erste, der wieder aussteigt und am Leben bleibt«, stöhnte Angus Mavick, ohne die Augen zu öffnen.
»Hat es schon mal jemand versucht?«, erkundigte sich Zamorra.
Er saß auf einem Stuhl neben dem Bett des Ex-Teufelsanbeters, Im anderen Zimmer schlief Nicole Duval den Schlaf des Gerechten. Sie hatte zum Schluß kaum noch die Augen offenhalten können.
»Ich weiß nicht«, beantwortete Mavick zögernd die Frage des Professors, »Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Mein Gedächtnis für diese Dinge ist wie weggebrannt. Ich habe häufig an den Zeremonien teilnehmen müssen. Wie alle anderen auch. Aber jetzt weiß ich nichts mehr. Die Einzelheiten sind mir entfallen.«
»Ein Zeichen, daß die Kur angeschlagen hat. Wir dürfen zufrieden sein«, lächelte Zamorra. »Gleichzeitig haben wir einen Erfolg errungen. Die Teufelsanbeter von Daunton sind nicht unschlagbar.«
»Bis jetzt haben sie aber immer gewonnen«, stöhnte Angus Mavick. »Ich habe Angst.«
»Wir werden. Sie Tag und Nacht bewachen. Außerdem vergessen Sie nicht, daß Sie unter dem wirksamsten Schutz stehen, den es gibt.«
»Sie meinen das Kreuz auf meiner Stirn?«
Angus Mavick erhob sich und trat vor den Spiegel. Er betastete die aufgeworfenen Ränder des Zeichens und meinte schließlich: »Ich glaube, ich habe es hinter mir. Meine Seele gehört wieder mir allein. Ich könnte sonst das Kruzifix nicht einmal anschauen.«
»Ein wirksames Mittel also gegen unsere Freunde.«
Zamorra trat neben den Schotten.
»Ja. Der Dämon, der meinen Körper beherrscht hat, ist ausgefahren. Sie haben ihn ausgebrannt. Wie leicht das alles geht. Wenn man nur etwas Hilfe bekommt. Allein schafft man es nicht. Es ist einem Mitglied des Bundes unmöglich, ein Kreuz herzustellen.«
»Das stimmt nicht«, wies Zamorra seinen Gefährten zurecht.
»Gut, ich muß mich berichtigen. Ich meine natürlich ein normales, Kreuz. Die zum inneren Zirkel gehören, stellen schon welche her, aber unter lauter Verwünschungen und Beachtung sämtlicher Schutzmaßnahmen. Dann bringen sie es verkehrt herum an. Anders könnten die Teufelsanbeter den Anblick niemals ertragen.«
»Eure Ordnung geht in allen Punkten darauf aus, die bestehende nicht nur zu untergraben und zu verhöhnen, sondern sie auf den Kopf zu stellen. Darin werdet ihr nur noch vom Teufel, eurem Meister, übertroffen.«
»Man weiß tatsächlich nach einiger Zeit nicht mehr, was oben und unten ist, richtig oder falsch, gut oder böse. Ich bin froh, daß ich das hinter mir habe. Mein Gott, wenn Sie doch auch meiner Tochter helfen könnten. Sie heißt Miriam.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Ich habe sie nicht mehr zu Gesicht bekommen, seit ich selbst sie in den Bund eingeführt habe. Ich wollte sie davor retten, getötet und geopfert zu werden. Aber ich fürchte, ich habe das Falsche getan. Sie läßt sich sicher nicht mehr bekehren. Weder mit noch gegen ihre Einwilligung. Wie alle braven Menschen hat sie sich, einmal in den Kreis der Satanisten eingeführt, besonders heftig ins Zeug gelegt. Schneller als ich hat sie die niederen Weihen durchlaufen und heißt jetzt Demdike. Es ist jene Vorbeterin, die in der Scheune die Versammlung geleitet hat.«
»Wo hält sie sich für gewöhnlich auf?«
»Ich weiß es wirklich nicht. Sie gibt mir keine Rechenschaft. Sie hat mein Haus verlassen. Vielleicht ist sie…« Angus Mavick sprach nicht weiter. Er hatte den Faden verloren. Sein Gedächtnis war wieder einmal blockiert. In seinem Zustand bedeutete er weder eine Stütze noch einen glaubwürdigen Zeugen.
Zamorra begriff, daß er wieder einmal allein stand im Kampf gegen die Mächte der Finsternis. Von ihm hing nicht nur der Erfolg des Unternehmens ab, der mit einem Tetramorph begonnen hatte. Sein Geschick entschied darüber, ob sie die Hölle von Daunton jemals lebend verlassen würden.
***
Zamorra wartete, bis Angus Mavick hinter ihm die Tür wieder verriegelt hatte. Dann ging er die steile Treppe hinunter. Die Stufen, aus altem Eichenholz, ächzten und knarrten. Keiner konnte unbemerkt sich auf diesem Wege nähern. Es sei denn, er war den Gesetzen der Schwerkraft nicht unterworfen und schwebte herauf. Oder fuhr durch den Kamin.
Niemand begegnete Zamorra.
Er rief nach dem Wirt.
Zamorra erhielt keine Antwort. Als er eine Türklinke drückte, stellte er fest, daß
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