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0096 - Die Seelenfänger

0096 - Die Seelenfänger

Titel: 0096 - Die Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
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der Raum — wie die anderen auch, selbst die Gaststube — abgesperrt war. Donovan hatte doch am Ende nicht etwa die Kneipe samt Fremdenzimmer aufgegeben?
    Zamorra stellte sehr schnell fest, daß dieser Verdacht unbegründet war. Denn als er vor das bruchfällige Haus mit dem schadhaften Lehmverputz trat, hinaus in die Sonnenhelle eines herrlichen Maitages, drehte er sich wie von ungefähr um und sah, wie zwei Augenpaare durch einen Schlitz in der Küchengardine ihn haßerfüllt anstarrten.
    Übermütig winkte Zamorra dem Wirt und seiner Frau zu, ehe er den Weg fortsetzte und mußte schmunzeln, wenn er daran dachte, daß die beiden sich nicht nur ertappt fühlten, sondern auch platzten vor Wut, weil er sie verhöhnt hatte. Nach allem, was geschehen war, mußten die Leute ja glauben, sie hätten selbst einen Zamorra zutiefst verunsichert. Deshalb galt es, diesen Eindruck zu zerstreuen und Zuversicht zu zeigen.
    Die ungepflasterte Straße, die sich zu allen Regenzeiten förmlich auflöste und kaum als, solche zu erkennen war, stieg nach Osten stark an.
    Die unansehnlichen Bauten des Dorfes lagen beiderseits dicht an dicht. Im ganzen allerdings kaum mehr als zwölf wirklich bewohnte Gebäude aus Feldsteinen und Lehmverputz. Die Holzteile waren nirgends genagelt worden. Sondern nach alter Väter Sitte zusammengefügt: gedübelt.
    Daunton machte zwar einen verwahrlosten Eindruck, aber keinen abschreckenden. Nicht zu dieser Tageszeit.
    Ein Naturfreund hätte sicher Gefallen gefunden an diesen typischen schottischen Häusern, die sich wunderbar in die Umgebung einfügten.
    Es gab auffallend viele Katzen. Hunde dagegen kaum.
    Und anscheinend keine lebende Seele in dem Nest.
    Wohin Zamorra auch schaute: niemand zeigte sich. Wie verlassen lagen die Höfe da. Niemand arbeitete auf den Feldern oder in den Gärten. Das Vieh war sich selbst überlassen.
    Ziegen strolchten überall umher und stillten ihren Hunger mit allem, was sie erwischen konnten. Ein riesiger schwarzer Bock stellte sich sogar auf die Hinterbeine, um besser an schmackhafte junge Holunderbeerblätter zu gelangen. Irgendwo schrie durchdringend ein Schaf. Es blökte wirklich jämmerlich. Unwillkürlich lenkte Zamorra, der sich nicht entscheiden konnte, seine Schritte in diese Richtung, aus der er die Laute hörte.
    Zamorra war sich sicher, daß viele Augenpaare ihn beobachteten. Aber er konnte niemanden überführen. Also auch zu keinem Kontakt aufnehmen.
    Das war wohl auch der Sinn dieses Versteckspiels. Die Einwohner von Daunton mieden den Fremden, der in ihren ureigensten Angelegenheiten herumschnüffelte wie ein Polizeioffizier. Der einen ihrer Zunftgenossen auf seine Seite gebracht hatte mit unglaublichen Zauberkunststücken. Niemand wollte der nächste sein, der diesem Experten der Schwarzen Magie unter die Finger kam und umgekrempelt wurde. Denn Balor und Malkin, seine Tochter Demdike auch, die den Orden regierten, hatten Rache geschworen. Sie waren mächtiger als alles, was diese Leute je erlebt hatten. So gaben sie keinen Pfifferling für diesen eleganten und selbstbewußten Professor aus Frankreich. Und wer stand schon gerne auf der Seite des Verlierers? Was in diesem Fall nicht nur heißen konnte, daß man unterlag, sondern grausame Strafen zu erwarten hatte. Höllenpein. Hochnotpeinliches Gericht vor Satans Thron.
    Womöglich eine endlose Tortur, oben, im alten Turm, dessen Erbauer man nicht kannte. Der fremd war in seiner Architektur. Und so viele finstere und unheimliche Geheimnisse barg und blutige Mysterien.
    Noch immer erklang das jämmerliche Blöken des Schafes. Aber schon wesentlich näher. Bald entdeckte Zamorra das Tier. Es hatte sich in einer Rolle alten Drahtes verheddert.
    Vergeblich versuchte das Schaf sich freizustrampeln, zerrte an den Fesseln und schnürte sie doch nur immer fester zusammen.
    Das Tier steckte unter einem Schuppendach. Kaum erklärlich, wie es dahin gekommen sein sollte. Weit und breit gab es nichts, was einem Schaf als Futter dienen konnte.
    Zamorra betrat das Gehöft.
    Gerade näherte er sich dem Gefangenen, da tauchte ein Mädchen auf. Es mochte etwa siebzehn Jahre alt sein. Trotz der mehr als schäbigen Kleidung — oder gerade deswegen — fiel auf, wie schön sie war.
    Da stimmte einfach alles. Von den vollen kupferroten Haaren über die grünlichen Katzenaugen, den nicht zu üppigen, aber festen Brüsten und der schlanken Taille, bis zu den langen wohlgeformten Beinen.
    Die Kleine war das jüngste menschliche

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