0096 - Die Seelenfänger
Informationen waren dürftig. Ob er es ehrlich meinte? »Warum tun Sie das alles?«
»Weil ich mich rächen will. Dieser Kult hat mein Leben zerstört. Aber auch das meines einzigen Kindes. Das verzeihe ich diesen Bestien nie. Miriam war mein ein und mein alles.«
»War? Ist sie tot?«
»Wer einmal in den Kreis der Verdammten aufgenommen ist, kann getrost als Untoter gelten. Als jemand, der ißt und trinkt und schläft und doch nicht am Leben ist. Die Hölle hat sein Herz verbrannt. Das Böse hat ihm das Kainsmal aufgedrückt. Der Satan persönlich seine Seele vergiftet.«
Angus Mavick seufzte abgrundtief.
»Es ist besser, wenn ich auf meinen Posten zurückkehre. Sonst werde ich vermißt. Ich drücke Ihnen den Daumen. Sie haben Unmögliches auf sich genommen. Aber ich hoffe, Sie haben Erfolg. Ich wünsche es mir und Ihnen. Aber seien Sie vorsichtig. Lassen Sie das Mädchen nicht aus den Augen. Die anderen beraten gerade in einer Scheune, wie sie an Miß Duval herankommen. Denn sie soll zuerst entführt werden.« Angus Mavick erhob sich und kehrte zum Fenster zurück. Unendlich langsam stülpte er sich die Bocksmaske über. Er kletterte hinaus.
Zamorra warf einen Blick in das Nebenzimmer.
Nicole Duval schlief tief und fest. Sie hatte mit Sicherheit nicht mitbekommen, was der nächtliche Warner Zamorra berichtet hatte. Und das war gut so. Nicole war bereits beunruhigt genug über das, was sie in Daunton und Umgebung erlebt hatte. Wobei sie nicht einmal die leiseste Ahnung hatte, daß sie bereits unter einem fremden Willen stand. Diese hypnotische Blockade mußte zuerst unterbrochen, werden, wenn die hübsche Sekretärin ungefährdet bleiben sollte. Sonst brauchte der Unbekannte sie nur zu sich zu rufen und sie rannte ahnungslos, willenlos, ins Verderben.
Noch einmal schaute Zamorra aus dem Fenster.
Das Dorf schien zu schlafen. Nirgends brannte ein Licht. Kein Laut drang an sein Ohr. Aber dort drüben, neben dem alten Backhaus, erkannte Zamorra die schemenhaften Umrisse des heimlichen Aufpassers. Im Nebel ragte die scheußliche Bocksmaske auf. Das Mondlicht ließ die gelblichen Augen irisieren.
Unbeweglich stand Mavick in der Nacht und starrte herüber. Niemand wäre auf die Idee gekommen, er könne auch nur für eine Sekunde seinen Auftrag vernachlässigen.
Zamorra wandte sich an seine Sekretärin.
Zart rüttelte er Nicole an der Schulter.
»Wach auf, Nicole«, flüsterte er.
Dann fuhr er zurück.
Ihr Körper war steif und kalt. Kein Leben schien mehr in den Adern zu pulsieren. Kein Herzschlag war zu spüren.
Zamorra holte einen Taschenspiegel hervor, hielt ihn vor die roten Lippen der jungen Französin.
Der Professor traute seinen Augen nicht. Das Glas beschlug nicht. Demnach war Nicole Duval tot!
***
Professor Zamorra war ein Mann der Tat. Er hielt sich nicht damit auf, bangen Gedanken nachzuhängen. Irgendwie vertraute er Angus Mavick. Die Verzweiflung des Mannes, dessen Tochter von den Teufelsanbetern irgendwelchen Ritualen unterworfen und Luzifer geweiht worden war, hatte zu echt gewirkt.
Was hatte Mavick gesagt?
Die Einwohner von Daunton berieten, wie sie am besten Nicole Duval entführen konnten.
Aber was wollten sie mit einer Toten anfangen?
Unwahrscheinlich, daß sie auf eigene Faust handelten. Ihr Herr und Meister, der Unheimliche mit dem brennenden, auf dem Kopf stehenden Kreuz, traf die Entscheidungen. Niemand anders. Und was hätte er wohl mit einer Leiche anfangen sollen? Mit einem Menschen, dessen Seele nicht mehr im Körper hauste?
Demnach lebte Nicole noch. So unglaublich es auch schien. Aber was bedeuteten die Regeln der Schulmedizin in einem Kampf mit den Mächten der Finsternis?
Zamorra griff zum äußersten Mittel.
Sein Wille konzentrierte sich auf das Unbewußte seiner schönen Sekretärin. Sein Blick schien sie zu durchdringen, als sei sie aus Glas. Gleichzeitig nahm er das Amulett von seinem Hals in die linke Hand. Er spürte die Wärme und die Kraft, die von dem wertvollen Reif ausging, dessen magische Kräfte ihm in so mancher schwierigen Situation beigestanden und sein Leben gerettet hatten.
Die Rechte des Professors nahm Kontakt zu Nicole Duval auf. Er führte bestimmte magnetische Striche an ihrem Rücken aus und an den Schläfen. Augenblicklich trat ein grünliches phosphoreszierendes Leuchten auf ihre Lippen.
Ihre Augen öffneten sich. Sie atmete ganz flach und langsam. Aber noch wirkte der Blick ihrer hübschen Augen merkwürdig starr und seelenlos.
Der Wille
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