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0096 - Die Seelenfänger

0096 - Die Seelenfänger

Titel: 0096 - Die Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
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reagierten ähnlich heftig. Der Wirt ließ das Tablett fallen, auf dem er zwei Gläser Stout trug.
    Prompt flog die Durchreiche zur Küche auf. Eine Frau in älteren Jahren mit einst schwarzem, jetzt silbern gesprenkeltem, strähnigem Haar steckte den Kopf durch, wollte den Ehemann wegen seiner Ungeschicklichkeit tadeln und sah plötzlich das Gebilde aus Stein auf dem Tisch liegen, umringt von erhitzten Gesichtern.
    Die alte Frau stieß einen schrillen Schrei aus. Die Augen traten aus dem Kopf. Sie zitterte am ganzen Körper und stürzte zu Boden. Kreischend wand sie sich in Krämpfen. Schaum trat vor ihren Mund. Sie zerkratzte sich das Gesicht. Ihre Fingernägel schrammten über die Haut und hinterließen blutige Furchen.
    Niemand kümmerte sich um sie.
    Der eigene Mann, zur Salzsäure erstarrt, stierte mit blutunterlaufenen Augen auf das Kunstwerk.
    »Wo haben Sie das her?« fragte Marvick.
    »Eine gute Frage. Eben von meinem Freund Bill Fleming, der zur Zeit in Amerika ist. Er schickte mir den Tetramorph mit Angabe der Fundstelle und bat mich, der Sache nachzugehen. Ihn interessieren die Ergebnisse natürlich nur als Historiker.«
    »Sie auch?«
    Die Frage sollte harmlos klingen. Aber Zamorra spürte, daß es die Gretchenfrage war. Bejahte er sie, mußte er damit rechnen, daß der unbekannte Feind zum Generalangriff blies, damit das Geheimnis gewahrt wurde. Für alle Zeiten. Die Teufelsanbeter von Daunton konnten sich eine zweite Panne wie die mit Bill Fleming nicht leisten. Der Amerikaner war ihnen wohl nur entwischt, weil er mit einem Hubschrauber gelandet und gestartet war, nachdem er in diesem gottverlassenen Winkel des schottischen Hochlandes, etwa an der Stelle, an der Zamorra das brennende Holzkreuz bemerkt hatte, einen Turm entdeckt hatte. Einen Turm des Schweigens. Ohne Fenster, ohne Tür, halb begraben im Hochmoor und von einer intensiven dämonischen Ausstrahlungskraft.
    Bill Fleming hatte sich damit begnügt, einen Beweis für die Existenz des unerklärlichen Bauwerkes an sich zu nehmen. Eben den Tetramorph.
    Danach war er sofort wieder aufgebrochen, um weiter nach einem ergiebigen Forellenbach zu suchen. Denn er war überarbeitet gewesen und hatte ganz im Bann seiner geschichtlichen Recherchen gestanden.
    Erst, als er seinen Fund Professor Zamorra mit ein paar Begleitzeilen geschickt hatte mit der Bitte, für ihn gelegentlich der Sache auf den Grund zu gehen, war der Stein ins Rollen gekommen. Zamorra hatte Nicole Duval für die Sache interessiert und sie waren aufgebrochen in die menschenleere, schweigende Welt des schottischen Hochlandes, um das rätselhafte Gebäude aufzuspüren, von dem der Tetramorph stammte.
    Zamorra schüttelte entschieden den Kopf.
    »Nein, ich befasse mich weniger mit Geschichte als vielmehr mit Okkultismus«, erwiderte er.
    »Warum kommen Sie dann zu uns?«
    Die Frage klang wie eine Kriegserklärung.
    »Ganz einfach«, erläuterte Zamorra seine Beweggründe. »Es gibt im Gebirge Sindschar in Mesopotamien sowie in Kurdistan die Sekte der Jesiden. Das sind Anhänger eines Teufelskults. Sie behaupten, wenn Gott gut sei, könne man ihn getrost sich selbst überlassen. Der Teufel aber sei gefährlich und erheische damit gesteigerte Aufmerksamkeit. Ihn gelte es umzustimmen, zu versöhnen, sich zum Freund zu machen, damit er nicht mit List und Tücke alles verdirbt. Verstehen Sie?«
    »Kein Wort«, erwiderte Angus Marvick empört. »Niemand hier hat auch nur eine Silbe verstanden. Was bringt Sie auf die Idee, daß es hier ein gleiches Bauwerk gibt? Was haben wir mit diesen Teufelsanbetern aus dem Orient zu tun, Mann?«
    Es herrschte eine gespannte Stille.
    Beruhigend legte Zamorra seinem Nachbarn die Hand auf den Arm.
    »Das Faszinierende an der Sache ist eben, eine Erklärung zu finden. Ich habe von meinem amerikanischen Freund Fleming folgenden Hinweis erhalten, der mir bemerkenswert erscheint: im Altertum blieb Kaledonien, das heutige nördliche Schottland, zwar frei von der römischen Herrschaft, aber sicher gab es Handelsbeziehungen zwischen den Urstämmen der Pikten und Scoten einerseits und den römischen Bcsatzungstruppen andererseits. Daran konnte auch der Hadrianswall nichts ändern, den die Römer etwa 122 nach Christus errichtet hatten, um sich gegen Überfälle der kriegerischen Barbaren aus dem Norden zu schützen. Verstehen Sie?«
    »Natürlich. Nur weiter.«
    »Rom, damals Mittelpunkt des Abendlandes, reich und mächtig, versammelte unter seinen Standarten nicht nur

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