0098 - Im Labyrinth der grünen Henker
Farbschattierungen von weiß bis kaffeebraun flanierten am Strand entlang.
Spielende Kinder lärmten, und Hunde kläfften. Bill Fleming hatte sich neben Nicole auf der Decke niedergelassen. Er schaute zwei Tanga-Mädchen nach. Die eine, eine kaffeebraune Schönheit mit dudelndem Kofferradio, wiegte sich verführerisch in den Höften.
»Paß auf, daß du deine Sonnenbrille nicht verlierst, Bill«, sagte Nicole Duval.
»Warum?« fragte Bill Fleming irritiert.
»Weil du Stielaugen kriegst.«
Bill grinste. Er dachte an Zamorra, der mit Joao da Costa und Evita Arajo in Rio unterwegs war. Sie wollten Vorbereitungen für die Fahrt nach Recife treffen, die am nächsten Tag stattfinden sollte. Soweit Bill Fleming wuße, wollte Zamorra sich ein paar Mittel zulegen, um Cumbacho, Alonzo Gonzeiras und den grünen Henkern die Stirn bieten zu können.
Genaueres hatte Zamorra noch nicht erwähnt.
Bill und Nicole hatten am Vormittag eine Stadtrundfahrt unternommen. Sie hatten die Prachtstraßen gesehen und auch ein wenig von den Elendsvierteln, die Buchten mit den klangvollen Namen wie Flamengo, Botafogo, Copacabana und Ipanema. Sie waren am Zuckerhut gewesen und durch den Nationalpark Pico de Tijuca mit seiner Fülle von Blüten, bunten Vögeln und Schmetterlingen zum Corcovado hinaufgefahren.
Von dort, unterhalb der Christusstatue mit den segnend ausgebreiteten Armen, sah man im Sonnenschein Rio de Janeiro unter sich. Mit den alten und neuen Stadtvierteln, dem Inselflughafen Aeroporto do Galeao, den vorgelagerten Inseln, der künstlichen Lagune und dem Zuckerhut.
Grell und fast senkrecht schien die Sonne vom blauen Himmel, und von weitem gesehen wirkten sogar die rostigen Wellblechhütten und morschen Baracken der Slums noch hübsch. Bill Fleming drehte sich auf den Rücken. Er hatte sich dick eingeölt, aber bei den sengenden Strahlen genügte bereits eine halbe Stunde für einen kräftigen Sonnenbrand. Einen Sonnenschirm hatten Nicole und Bill bei ihrer Ankunft nicht ergattern können.
Bill wollte Nicole gerade vorschlagen, sich ein schattiges Plätzchen zu suchen, als ein Schatten über sie fiel. Bill schaute auf. Zwei herkulisch gebaute Neger standen da, die Fäuste in die Seiten gestemmt. Sie trugen Sonnenbrillen und Hemden in schreiend bunten Farben.
Kanariengelb das eine, knallig grün der andere. Jeder Papagei wäre neidisch geworden. Der Neger mit dem kanariengelben Hemd sagte etwas auf Portugiesisch. Auch Nicole musterte die beiden.
»Ich bin Amerikaner, ich verstehe kein Portugiesisch«, sagte Bill in eben dieser Sprache.
Das war so ziemlich der einzige Satz, den er beherrschte. Jetzt sprach der Neger mit dem knallig grünen Hemd, und dann beugte er sich nieder und packte Bill an der Schulter. Er griff fest zu. Bill Fleming sprang auf.
»He, was soll denn das?« fragte er verblüfft.
Einige Sonnenhungrige in der Nähe waren aufmerksam geworden. Sie schauten zu der Gruppe hin. Die Neger überragten den nicht gerade kleinen Bill Fleming noch um ein gutes Stück.
»Cumbacho!« zischte der Neger mit dem gelben Hemd.
Seine Faust raste auf Bill Flemings Gesicht zu. Bill duckte sich reaktionsschnell weg und setzte dem Schwarzen zwei harte Schläge auf die Rippen. Der zweite Neger wollte ihn von hinten packen. Doch Bill Fleming trat ihm die Beine weg.
»Lauf weg, Nicole!« schrie er.
Bill Fleming hatte längst begriffen, daß es sich nicht nur um eine kleine Schlägerei handelte. Die Neger wollten nur ablenken und ihn beschäftigen. Nicole stand da und zögerte. Einerseits wäre sie Bill Fleming gern zu Hilfe geeilt. Andererseits war es vielleicht wirklich besser, sich abzusetzen.
Denn dann brauchte Bill nicht noch auf sie aufzupassen.
Nicole hatte zu lange gewartet, die Entscheidung wurde ihr abgenommen. Eine hochgewachsene. Gestalt im dunkelgrünen Kapuzenumhang drängte sich durch die Badegäste. Niemand konnte sagen, woher sie gekommen war. Nicole Duval hörte entsetzte Ausrufe und wandte den Kopf.
Da stand der Knochenmann schon vor ihr. Der lippenlose Mund grinste Nicole Duval an. Die Knochenhände packten wie Klauen zu. Eiskalt waren sie. Nicole sträubte sich, aber der Knochenmann hatte ungeheure Kräfte. Er warf die schöne Französin über die Schulter und trug sie davon, mochte sie auch zappeln und strampeln.
Die Zuschauer wagten nicht einzugreifen. Die Kapuze war dem grünen Henker vom Kopf gerutscht und hatte den Totenschädel entblößt. Er bot ein grauenvolles Bild.
»Hilfe!« schrie Nicole
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