0099 - Die Lava-Falle
Gesicht zu machen.
»Ich schweige, Signore, ich schweige«, versicherte er hastig und verschwand durch eine Tür hinter der Bar.
»Geschieht ihm recht«, sagte Bill grinsend. »Was tut er zuerst auch so, als könnte er kein Wort Englisch, um uns besser belauschen zu können.«
Das Grinsen verging uns beiden, als ein neuer Erdstoß die Gläser klirren ließ. Surtur meldete sich wieder, als wollte er uns zu verstehen geben, daß er unsere Pläne kannte und sich nicht beeindrucken ließ.
***
Um fünf Uhr nachmittags waren wir im Krankenhaus, nachdem wir uns davon überzeugt hatten, daß Mrs. Willard vorläufig sicher war. Capitano Alfieri hatte überall seine Leute aufziehen lassen, vor dem Dom ebenso wie vor dem Hotel. Wer immer mit Surtur und dem Ätna zu tun hatte, wurde bewacht.
Auch am Krankenhaus trafen wir auf einen Doppelposten der Carabinieri. Ihr Wagen parkte direkt neben dem Schild OSOEDALE an der Abzweigung von der Hauptstraße. Von hier hatten sie freien Blick auf die umliegenden Weingärten und konnten sofort eingreifen, wenn Giorgio Serpione ausrücken wollte.
»Meinst du denn?« fragte Bill, als wir die kühle Eingangshalle betraten, »daß er noch einmal den Ruf der Untoten hören wird?«
»Hast du schon erlebt«, fragte ich zurück, »daß die Hölle freiwillig aufgibt?«
Er schüttelte bloß den Kopf.
Die Schwester an der Anmeldung schickte uns in den dritten Stock. Giorgio Serpione hatte ein Einzelzimmer.
»Mir gefällt nicht, daß sie hier keine Wache aufgestellt haben«, meinte ich, als wir vor der richtigen Tür standen. »Ich würde sogar jemanden in das Zimmer setzen.«
»Das kann doch ich übernehmen, bis Jane und Suko hier sind und sich mit uns die Aufgaben teilen, John«, schlug Bill vor.
Ich nickte, klopfte und trat ein, weil keine Antwort erfolgte.
Es überraschte mich nicht, daß im Zimmer Halbdunkel herrschte. Überall im Süden wurden tagsüber die hölzernen Fensterläden geschlossen, damit die Hitze ausgesperrt wurde. Ich stutzte auch nicht, als ich im Bett unter der Decke eine Gestalt erkannte. Das Dunkle auf dem Kissen hielt ich für die Haare des Patienten.
Bill tippte mir auf die Schulter und deutete aufgeregt auf einen alten Wandschrank. Ich zuckte zusammen. Die Türen standen offen. Ein Kleiderbügel lag auf dem Boden, als habe jemand überstürzt die Sachen aus dem Schrank geholt.
Mit einem Satz war ich neben dem Bett und riß die Decke zurück.
»Der alte Trick!« rief Bill.
Giorgio Serpione hatte eine dunkle Decke zu einer Walze zusammengedreht und so hingelegt, daß eine Krankenschwester bei einer flüchtigen Kontrolle glauben mußte, der Patient wäre noch da.
Ich lief zum Fenster und stieß die Läden auf. Wir befanden uns im dritten Stock. Unter mir lag der Betonboden der Auffahrt.
Auf halber Höhe hing ein junger schwarzhaariger Mann in dem alten, morschen Spalier. Er sah kurz zu mir hoch. Seine Augen waren unnatürlich geweitet, sein Gesicht verzerrt.
Das mußte Giorgio Serpione sein.
»Er hat wieder den Ruf vom Ätna erhalten!« rief ich Bill zu. »Schnell, lauf hinunter!«
»Und du?«
»Ich folge ihm«, sagte ich und deutete aus dem Fenster.
»Du wirst dir das Genick brechen!« warnte Bill.
Ich achtete nicht auf ihn, schwang mich über das Fensterbrett und tastete mit den Füßen nach einer Quersprosse des Spaliers. Eine Gänsehaut lief über meinen Rücken, als ich es knacken hörte.
Das Holz sah nicht nur alt und morsch aus, es war auch alt und morsch. Aber wenn es Giorgio getragen hatte, würde es auch mich halten.
Hoffte ich wenigstens!
Ich wollte mich nicht darauf verlassen, daß Bill rechtzeitig unten ankam. Wer weiß, mit welchen gemeinen, hinterhältigen Tricks ihn Surtur aufhielt, um sich sein Opfer nicht entgehen zu lassen.
Ein Sprung ins eiskalte Wasser ist immer am besten. Deshalb ließ ich das Fensterbrett los und glitt an dem Spalier hinunter. Meine Finger fanden Halt, auch wenn mir das grobe Holz die Haut aufriß.
Ich spürte die Erschütterungen, die durch den Lattenrost liefen. Giorgio kletterte geschickt in die Tiefe. Er vergaß alle Vorsicht. Wäre er ganz bei sich gewesen, hätte er sich bestimmt nicht auf dieses Wagnis eingelassen, so aber mußte er dem Befehl seiner toten Freundin folgen.
Ich lauschte vergeblich in mich hinein. Ich empfing keine Botschaft der Untoten aus dem Ätna. Sie wandte sich also gezielt an Giorgio.
Ich starrte verbissen auf die graubraune Mauer vor meinem Gesicht. Nur nicht nach unten sehen,
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