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0099 - Gangster, Erben und Verwandte

0099 - Gangster, Erben und Verwandte

Titel: 0099 - Gangster, Erben und Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erben und Verwandte Gangster
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Allerdings erbat er sich jedesmal einen Kredit, wozu er wohl die Weihnachtsstimmung für am geeignetsten hielt. Wenn er keinen Kredit brauchte, erschien er ja auch nicht zu Weihnachten.«
    »Ihr Onkel war von diesen Besuchen folglich nicht sehr erbaut?«
    Der Neffe wiegte den Kopf hin und her.
    »Das Verhalten meines Onkels in diesen beiden Fällen erscheint etwas rätselhaft und widerspruchsvoll für den, der meinen Onkel nicht kennt«, leitete er ein. »Seinem Stiefbruder gegenüber war mein Onkel beide Male, sogar in meinem Beisein sehr — nun, sagen wir, sehr taktlos. Er nannte ihn einen Faulpelz, einen Dummkopf, einen Parasit und was weiß ich alles. Dann gab er ihm jedesmal zweitausend Dollar aus seinem privaten Vermögen. Sobald Henderling dann zwar halb beleidigt, aber doch zufrieden mit der erhaltenen Summe gegangen war, lachte mein Onkel und sagte beide Male: der schüchterne Dummkopf! Hätte er mich um zehntausend gebeten, hätte ich sie ihm auch gegeben.«
    »War er denn so großzügig mit dem Geld?«
    »Oh, nein!« lachte der Neffe leise. »Ganz im Gegenteil! Nur seinem Stiefbruder gegenüber war er im Grunde immer von einer bemerkenswerten Großzügigkeit.«
    »Können Sie sich die Gründe dafür erklären?«
    »Ich glaube schon. Sein Stiefbruder war der ungleich Klügere. Alles, was mein Onkel je gelernt hat in seiner Jugend, stammte sicherlich zum größten Teil von seinem Stiefbruder. Sie unterschieden sich nur in einem, Henderling war musisch veranlagt, Träumer, Idealist, Künstler. Mein Onkel hingegen war ein nüchterner Zahlenmensch. Er verstand, aus allem ein lohnendes Geschäft zu machen. Aber er hatte bis an sein Lebensende eine heimlich gehütete Hochachtung vor dem universalen Geist seines Stiefbruders. Ich glaube, daß er ihm gegenüber sogar so etwas wie Minderwertigkeitskomplexe hatte. Vielleicht versuchte er, diese Komplexe immer dadurch zu unterdrücken, daß er sich seinem Stiefbruder gegenüber als der großzügige Spender gab.«
    »Das wäre eine Möglichkeit«, gab ich zu. »Jetzt zu einer anderen Sache. Sie wissen natürlich, daß Ihr Onkel schwer herzleidend war?«
    Der Neffe zögerte einen Augenblick, dann sagte er:
    »Ich glaube, man übertreibt die Schwere dieses Leidens ein wenig.«
    »Wußten Sie, daß der Hausarzt in der Bank erschien und darum bat, man möchte Ihrem Onkel jede unnötige Aufregung ersparen?«
    Er sah mich groß an:
    »Ist das wahr? Davon habe ich nichts gehört.«
    »Na, es ist ja auch nicht so wichtig«, sagte ich. »Vielmehr interessiert mich diese Geschichte zwischen Ihrer Tante und diesem Broad. Was wissen Sie davon?«
    Er schwieg einen Augenblick, dann meinte er:
    »Ich bedaure, daß Sie das herausgefunden haben. Denn leider liegt in diesem Fall doch wohl die meiste Schuld bei meiner Tante. Kein Mann kann einer Dame nahetreten, wenn sie ihn von vornherein gebührend zurückweist.«
    Ich nickte.
    »Da sind wir ziemlich einer Meinung. Aber was halten sie von Broad?«
    Er zuckte die Achseln.
    »Nicht sehr viel. Temperamentvoll, manchmal richtig unbeherrscht, gut aussehend für Frauen, nicht sehr zuverlässig — alles negative Eigenschaften für einen Bankmenschen. Ich…«
    Er brach plötzlich ab und zögerte. »Ja?« hakte ich ein. »Was wollten Sie sagen?«
    Er rieb sich verlegen die Hände.
    »Es ist doch wohl besser, ich behalte das für mich«, sagte er. »Es ist nur so eine Art Gefühl von mir.«
    »Trotzdem sollten Sie es mir sagen«, bat ich. »Für die Polizei ist selbst der kleinste Hinweis von Bedeutung.«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte er. »Aber als ich hörte, meine Tante sei ermordet worden, dachte ich sofort an Broad.«
    »Wieso?«
    »Aus mehreren Gründen. Einmal ließ er sich ja regelrecht von meiner Tante aushalten. Ich weiß zufällig, daß sie ihm sogar die Schneiderrechnungen bezahlte. Zum anderen ist bei ihm nichts Schlimmeres denkbar als seine verletzte Eitelkeit. Das empfand ich gewissermaßen als Motiv des Mordes. Aber das ist natürlich Unsinn. Sie werden mich insgeheim auslachen.«
    »Warum sollte ich das«, murmelte ich. »Ich weiß aus Erfahrung, daß für einen Mord oft die geringfügigsten Motive in Frage kommen. Man hat schon Menschen wegen drei, vier Dollar umgebracht und auch schon für ein einziges böses Wort. In der Seele des Menschen gibt es die unglaublichsten Abgründe. Aber lassen wir das… Unser Gespräch hat mir ein kleines bißchen weitergeholfen, Mr. Blewfield. Entschuldigen Sie die

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