0099 - Gangster, Erben und Verwandte
sagte:
»Ich möchte Mr. Blewfield junior sprechen, mein Freund.«
»Sofort, mein Herr.«
»Nicht so hastig!« sagte ich und hielt ihn am Ärmel zurück. »Kommen Sie mal ein Stück mit! Ich habe Ihnen noch ein paar Fragen vorzulegen.«
Der Mann wurde blaß. Gehorsam lief er neben mir her. Ich ging an der rechten Seite der Villa nach hinten, wo ich einen Garten vermutete und auch fand.
Während wir zusammen über die sauberen Kieswege, schritten, plazierte ich meine Fragen.
»Wie lange sind Sie schon in diesem Hause?«
»Fast zwölf Jahre, Sir.«
»Dann kennen Sie also die Familienverhältnisse einigermaßen, nicht wahr?«
»Soweit ein Diener Einblick in die Familienverhältnisse seiner Herrschaft gewinnen kann, ja.«
»Erfreulich«, sagte ich trocken. »Erzählen Sie mir erst mal was vom Verwandtschaftsverhältnis von Blewfield junior zu Blewfield senior.«
»Mr. Blewfield hatte einen Bruder, der vor neun Jahren bei einem Autounfall mit seiner Frau ums Leben kam, Sir. Sie hinterließen einen einzigen Sohn, eben Mr. Blewfield junior. Er wurde sofort hier ins Haus genommen. Unser verstorbener Herr übernahm großzügig alle weiteren Kosten für seine Ausbildung.«
'' »Worin bestand diese Ausbildung?«
»Mr. Blewfield junior besuchte zuerst die Columbia-Universität und dann noch eine Wirtschaftshochschule. Anschließend ging er als Volontär in die Bank, wo er sich sehr schnell hocharbeitete.«
»Aha. Hatte Mr. Blewfield senior sonst noch direkte Verwandte?«
»Ja. Er hat noch einen älteren Bruder. Das ist ein etwas verschrobener Mann.«
»Wieso?«
»Er lebt von der Unterstützung, die ihm Mr. Blewfield senior bezahlt.«
»Und was tut er?«
»Nichts, Sir. Jedenfalls nichts im Sinn von Arbeiten. Er sammelte Schmetterlinge. Das war seine Hauptbeschäftigung.«
»Wissen Sie, wo dieser Mann wohnt?«
»Jawohl, Sir. Er bekam von unserem Herrn einmal ein kleines Grundstück mit einem Wochenendhäuschen auf Wards Island geschenkt. Seither wohnt er dort. Das Häuschen liegt unmittelbar neben der Triboro Bridge.«
Ich machte mir ein paar Notizen hinsichtlich des Sonderlings und fragte dann:
»Ist die Beerdigung eigentlich schon gewesen?«'
»No. Sie findet heute nachmittag statt.«
»Mit vielen Leuten, vermute ich.«
»Gewiß, Sir.«
»Hm. Sagen Sie mal, wußten Sie, daß Mr. Blewfield schwer ht&zleidend war?«
»Natürlich, Sir. Jeder im Haus wußte das.«
»Danke. Ich glaube, wir gehen wieder zurück. Sie werden mich Mr. Blewfield junior melden. Sagen Sie ihm, daß ich ihn gewiß nicht lange stören werde. Es handele sich nur um eine Kleinigkeit.«
»Jawohl, Sir.«
Ich blieb in der Diele zurück, während der Diener yerschwand. Es dauerte nicht lange, da erschien der Neffe im schwarzen Beerdigungsanzug t und bat mich mit halblauter Stimme ins Eßzimmer. Im Arbeitszimmer hätte man die beiden Toten aufgebahrt, deshalb müßten wir uns für unsere Unterhaltung mit dem Eßzimmer begnügen.
Wir nahmen auf hohen Lehnstühlen Platz, die an einer langen Tafel standen. Der Neffe hatte ausgezeichnete Manieren und machte alles in allem einen symphatischen Eindruck. Seine Augen hatten tiefe Schatten. Der Tod seiner Pflegeeltern schien ihm doch sehr nahe zu gehen.
»Ich bitte Sie um Entschuldigung dafür, daß ich Sie gerade heute mit neugierigen Fragen belästigen muß«, fing ich an. »Aber Sie werden vielleicht verstehen, daß wir unsere Pflicht tun müssen. Sie haben vielleicht schon in der Zeitung gelesen, daß Mr. Blewfields Stiefbruder, ein gewisser Henderling, ermordet wurde. Leider ist in beiden Fällen — sowohl was Mr. Henderling als auch was Mrs. Blewfield betrifft — noch längst nicht alles klar für die Polizei. Deshalb müssen wir unsere Nachforschungen weiterbetreiben. Dabei kann jeder Tag von Nutzen sein, so daß wir leider nur wenig Rücksicht auf die Gefühle der Beteiligten nehmen können.«
Der Neffe nickte und sagte:
»Ich verstehe durchaus. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Es liegt mindestens ebensosehr in meinem wie im öffentlichen Interesse, daß diese beiden brutalen Bluttaten restlos aufgeklärt werden und die Täter ihre gerechte Strafe erhalten. Bitte, fragen Sie ruhig!«
»In was für einem Verhältnis stand Henderling zu seinem Stiefbruder Blewfield, können Sie mir das sagen?«
»Ich kann Ihnen sagen, was ich davon weiß. In all den Jahren, in denen ich nun in diesem Haus lebe, ist Mr. Henderling nur zweimal hiergewesen. Das war jeweils zu Weihnachten.
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