01 Arthur und die vergessenen Buecher
»Er hatte kurz vorher mit Sylvia Slivitsky gesprochen, aber das Gespräch wurde abrupt abgebrochen. Er macht sich große Sorgen um euch.«
Wenn ich es recht überlegte, dann hatte der Anruf des Bücherwurms uns gerettet. Durch ihn waren Madame Slivitsky und ihre Söhne abgelenkt worden, sodass Larissa sich befreien und ich das Buch wieder an mich nehmen konnte.
Es war jetzt fünf Uhr morgens. Während Signora Montalba uns ein Frühstück zubereitete, riefen wir den Bücherwurm an. Ich konnte aus seiner Stimme heraushören, wie heilfroh er war, uns in Sicherheit zu wissen. Ebenso wichtig schien ihm aber auch zu sein, dass wir das Buch der Antworten bei uns hatten.
»Ihr müsst unverzüglich mit dem Buch zu mir zurückkommen«, beschwor er mich zum wiederholten Mal.
Ich warf Larissa einen Blick über den Tisch zu. »Wir möchten eigentlich zuerst nach Amsterdam damit«, sagte ich. »Zu Gerrit.«
Larissa signalisierte mir ihre Zustimmung durch ein leichtes Kopfnicken.
»Du hast gesehen, wie gefährlich das Buch ist, Arthur«, insistierte er. »Ich weiß, wie ich damit umzugehen habe und wie ich es am besten in Sicherheit bringe.« Täuschte ich mich oder klang da eine Spur von Verzweiflung in seiner Stimme mit? Schließlich war er schon einmal beinahe bereit gewesen, ein vermeintliches Vergessenes Buch seinen rechtmäßigen Besitzern zu entreißen.
»Bei Gerrit ist es sicherer als überall sonst«, wiederholte ich.
»Ist Larissa auch deiner Meinung?«
Ich reichte das Telefon weiter.
»Ja«, sagte Larissa. »Wir bringen das Buch zu Gerrit. Und dann entscheiden wir, was wir weiter damit machen.«
Sie gab mir den Hörer zurück.
»Nun gut.« Die Stimme des Bücherwurms klang resigniert. »Ich denke, ihr habt das Recht, darüber zu entscheiden. Schließlich habt ihr das Buch auch gefunden.«
Larissa berichtete ihm noch ein wenig von den Ereignissen der letzten Stunden und versprach, dass wir uns nach unserer Ankunft in Amsterdam bei ihm melden würden.
Nach einem leckeren Frühstück mit Cappuccino und Croissants legten wir uns noch für ein paar Stunden schlafen. Unser Zug verließ Bologna kurz nach elf Uhr.
Vor unserem Aufbruch rief ich noch bei di Stefano an. Nach mehrmaligem Klingeln hob er schlaftrunken den Hörer ab, war aber sofort hellwach, als er meine Stimme hörte. Ich berichtete ihm in knappen Worten, was vorgefallen war und dass Larissa und das Buch in Sicherheit waren. Er selbst hatte noch eine halbe Stunde vor dem Tor ausgeharrt und war dann, als er im Park nichts mehr hörte, zum nächsten Taxistand gehumpelt. Ich bedankte mich noch einmal für seine Hilfe und versprach ihm, mich bei ihm zu melden, sollte ich mal wieder in der Nähe sein.
Die Montalbas bestanden darauf, uns zum Bahnhof zu begleiten. Um uns herum ging das Leben der Stadt seinen gewohnten Gang, und keiner der vielen geschäftigen Menschen ahnte, was sich in den vergangenen Stunden in und unter den Mauern ihrer Stadt abgespielt hatte.
Der Zug nach München verließ Bologna in einer halben Stunde. Signor Montalba kaufte die Fahrkarten für uns. Wir deckten uns in einem Kiosk mit Getränken und Keksen ein und gingen dann zu unserem Gleis.
»Ihr müsst kein besonders vorteilhaftes Bild von uns haben«, begann Montalba. Ich wollte ihn unterbrechen, aber er winkte ab.
»Nein, nein, ich möchte etwas dazu sagen«, erklärte er. »Wir sind zwei erwachsene Menschen und hatten nicht den Mumm, euch zu eurer Auseinandersetzung mit Sylvia Slivitsky zu begleiten. Und nicht nur wir: Auf Johann und Karel trifft dasselbe zu.«
Er holte tief Luft und sah seine Frau an. Sie nickte ihm aufmunternd zu.
»Ich will mich nicht für unser Verhalten entschuldigen. Aber ich möchte euch die Gründe darlegen, die für unser Verhalten verantwortlich sind. Ihr wisst ja bereits, dass wir eine gemeinsame Vergangenheit mit Sylvia Slivitsky haben. Schon als ich jung war, habe ich mich vor ihr gefürchtet. Das klingt vielleicht merkwürdig, aber sie war bereits damals skrupellos und bereit, für ihre Ziele über Leichen zu gehen.«
Er machte eine Pause, und Signora Montalba führte seine Erzählung fort: »Ich hatte Giovanni beim Studium kennengelernt. Wir waren gerade ein paar Monate zusammen, als Sylvia in unserem Leben auftauchte. Wir waren ein kleiner Klub, besessen von den Vergessenen Büchern. Johann Lackmann und Karel van Wolfen gehörten dazu, und irgendwann brachte Johann Sylvia zu einem unserer Treffen mit. Für uns stellten die Vergessenen
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