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01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

Titel: 01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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schickem Anzug und ausgelatschten Schuhen. Da ist doch was faul.‹ Also hat sie bei der Kreditkartengesellschaft angerufen, und die haben ihr gesagt, daß die von dir benutzte Karte als gestohlen gemeldet ist. Und dann hat sie uns benachrichtigt. Ziemlich einfach, wie?«
    »Und was habe ich mir eine halbe Stunde später zugelegt?« jammerte ich, wie ein betender Rabbi zur Decke blickend. »Ein schickes neues Paar Schuhe.«
    »Aufgewecktes Mädchen. Immer zuerst auf die Schuhe achten«, sagte Freundlich anerkennend. »Hat das nicht Sherlock Holmes einmal gesagt?«
    Die Tür ging auf, und Oberfreundlich steckte den Kopf herein. »Ach, Stephen, ich hab ganz vergessen zu fragen ...«
    »Ja?«
    »Ha?« sagte Oberfreundlich. » Aha! Stephen also? Stephen Fry.«
    Du meine Güte, was für ein Pappkopf , was für eine Dumpfbacke . Seit Gordon Jackson in Gesprengte Ketten auf das englische »Good luck« des deutschen Wachmanns geistesgegenwärtig mit »Thank you!« geantwortet hatte, während er und Dickie Attenborough den Bus in die Freiheit bestiegen, hat sich wohl niemand mehr so himmelschreiend, unverzeihlich und hirnverbrannt dämlich angestellt.
    »Oh«, sagte ich. »Ziemlich dumm von mir, was?«
    »Offen gesagt, Stephen, ausgesprochen dumm«, sagte Oberfreundlich. »Weißt du, ich habe in deinem Koffer drei mit Stephen Fry signierte Bücher gefunden.«
    »Nun ja«, sagte Freundlich, »deinen Namen zu wissen, macht uns und damit auch dir das Leben leichter.«
    Drei Wochen vor meinem achtzehnten Geburtstag hatte man mich als vermißt gemeldet, so daß meine Eltern Minuten später informiert waren. Noch einmal Minuten später hatte ich einen Beistand, wie es in der Sträflings-Sprache heißt. Meine Patentante und ihr Mann, der zufällig Anwalt war, lebten in der Nähe von Abingdon. Auf meine Eltern war eben Verlaß.
    Die erste Nacht verbrachte ich in der Polizeizelle. Am meisten quälte mich die Sorge, am nächsten Morgen meinen Eltern im Gerichtssaal gegenübertreten zu müssen. Ich wollte auf keinen Fall einknicken, sondern ihnen zeigen , daß ich und niemand sonst die volle Verantwortung für alles übernehmen würde. Ich hoffte, die Mitteilung der Polizei, daß ich die Zahlung einer Kaution strikt ablehnte, würde ihnen deutlich genug zu verstehen geben, daß ich meine Suppe alleine auslöffeln wollte. Nachdem sie ein genaueres Bild meiner Reise gewonnen hatten, erklärten Freundlich und Oberfreundlich mir, es könne eine gute Weile dauern, bis mein Fall zur Verhandlung käme, da vorher jede Menge Schreibkram von mehreren englischen Counties zu erledigen war. So was brauchte immer seine Zeit.
    Der Morgen flog so schnell vorbei, daß ich mich kaum noch an Einzelheiten erinnere, außer daß ich aus meiner Zelle abgeführt wurde, mich auf die Anklagebank neben einen Polizisten setzen mußte und nach meinem Namen und Alter gefragt wurde.
    »Wie steht es mit einer Kaution?« fragte der Richter.
    »Euer Ehren, um eine Kautionszahlung wird nicht ersucht«, sagte mein Anwalt.
    Der Richter warf mir den Blick eines Kamels zu, das eine Schmeißfliege inspiziert, und machte sich eine Notiz.
    Der Polizeianwalt brummelte unverständliches Zeug über die Zusammenstellung der nötigen Papiere, das der Richter mit einem Grunzen quittierte und mich in die Untersuchungshaft zurückschickte, um mich in zwei Wochen erneut vorzuladen, wenn der vollständige Polizeibericht vorläge, zu dem ich dann meine Aussage machen könnte. Anschließend führte man mich aus dem Gerichtssaal, wobei ich nur einmal kurz aufzublicken wagte, ob ich meine Eltern unter den Zuschauern entdecken könnte, und draußen geradewegs zu einem Bulli, der mich ins Gefängnis brachte.
    Sie waren dort gewesen. Ich hatte das ängstliche Gesicht meiner Mutter gesehen, verzweifelt auf meinen Blick wartend, um mir zuzulächeln. Ich hatte versucht zurückzulächeln, wußte aber nicht wie. Wieder der alte Fluch. Wie sollte ich richtig lächeln? Ein breites Grinsen würde wie ein Triumph aussehen, ein leises Lächeln hingegen wie ein hilfloses Flehen um Mitleid. Und ein Lächeln irgendwo dazwischen würde, wie ich unzweifelhaft wußte, wie gehabt als reine Blasiertheit rüberkommen. Irgendwie brachte ich dann doch ein verkniffenes Lächeln zustande, das, wie ich hoffte, Reue, Dankbarkeit, Entschlossenheit, Scham, Gewissensbisse und Gefaßtheit signalisierte.
    Es war das altbekannte Lied. Warum mußte ich mir ein Lächeln oder einen bestimmten Gesichtsausdruck zurechtlegen ?

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