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01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut

Titel: 01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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und zog die schweren Türen auf. Drinnen hingen vor allem Kostüme, Kleider und mehrere Seidenkaftane. Gemma ließ ihre Hände genießerisch über den Stoff gleiten und sah dann die Stapel von Hosen und Pullovern in den Schubladen durch.
      Auf dem oberen Bord des Schranks standen Reihen übereinander getürmter Schuhkartons. Gemma schlüpfte aus ihren Sandalen, stellte sich auf den Boden des Schranks und hob den Deckel eines Kartons, um einen Blick ins Innere zu werfen. Eilig zog sie die Kartons heraus und stellte sie aufs Bett, um sie zu öffnen.
      »Chef! Kommen Sie mal und sehen Sie sich das an.«
      Er erschien an der offenen Tür. »Was ist denn?«
      »Schreibhefte. In Massen. Alle vollgeschrieben.« Gemma schlug eines der Hefte auf und zeigte ihm die Seiten, die mit der gleichen zierlichen Schrift bedeckt waren, die sie auf der Rückseite der Fotografie gesehen hatte. Sie war sich seiner Nähe in dem kleinen Raum plötzlich sehr stark bewußt, seines hastigen Atems, des Geruchs nach Rasierwasser und warmer Haut. Sie trat zurück und sagte lauter als beabsichtigt: »Sieht aus, als hätte Jasmine Tagebuch geführt.«
      Sie ordneten die Kartons chronologisch, indem sie jeweils das Datum auf der ersten Seite eines jeden Hefts nachschlugen.
      »Das früheste, das ich gefunden habe, stammt von neunzehnhundertzweiundfünfzig«, sagte Gemma und rieb sich die vom Staub kitzelnde Nase. Ihre Fingerspitzen fühlten sich trocken und pergamenten an.
      Kincaid rechnete. »Da war sie zehn Jahre alt.« Schweigend sortierten sie weiter, bis Kincaid stirnrunzelnd aufsah. »Die letzte Eintragung scheint sie vor einer Woche gemacht zu haben.«
      »Haben Sie im Wohnzimmer nichts gefunden?«
      Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
      »Glauben Sie, daß sie zu schreiben aufgehört hat, weil sie wußte, daß sie sterben würde?« fragte Gemma.
      »Nachdem sie ein Leben lang die Gewohnheit gehabt hatte, ihre Gedanken niederzuschreiben? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.«
      »Oder«, meinte Gemma nachdenklich, »ist das letzte Heft vielleicht irgendwie verschwunden?«
     
    Sie saßen im Freemason’s Arms im Garten und aßen dunkles Brot mit Käse und Gewürzgurken. Sie hatten eine Weile warten müssen, bis einer der weißen Plastiktische frei geworden war, aber die Möglichkeit, in der Sonne zu sitzen und den Blick über die Willow Road zur Heath zu genießen, war es ihnen wert gewesen.
      Toby, der mit Heißhunger ein Käsebrötchen und einen Haufen Pommes verschlungen hatte, saß im Gras zu ihren Füßen. Er zog einen Gegenstand nach dem anderen aus Gemmas Tasche und gab jedem seinen Namen - »Schlüssel, Lippenstift, Tobys Pferdchen« - und dabei hielt er ein angelutschtes Plüschpferd zu ihrer Inspektion in die Höhe. Kincaid mußte unwillkürlich an die Bestandsaufnahme der Besitztümer eines Opfers denken und schob den Gedanken hastig weg. Er brach ein Stück Brot ab und hielt es Toby hin.
      »Hier, Toby. Füttere die Vögel.«
      Tobys Blick flog von Kincaid zu den Spatzen im Gras. »Vögel«, sagte er interessiert und rannte dann mit seinem Stück Brot in der Hand auf die Spatzen zu. Die flatterten prompt davon.
      »Das haben Sie großartig gemacht«, sagte Gemma lachend. »Jetzt ist er bestimmt total frustriert.«
      »Das ist gut für seine emotionale Entwicklung«, behauptete Kincaid mit gespielter Ernsthaftigkeit und lachte dann. »Tut mir leid.« Es gefiel ihm, Gemma so zu sehen, entspannt und nachdenklich. Bei der Arbeit war sie oft allzu schnell mit ihren Schlußfolgerungen bei der Hand, und er hatte ihr mehr als einmal vorgeworfen, schneller zu reden als zu denken.
      Und sie hatte eine gute Art, mit Toby umzugehen, aufmerksam, ohne gluckenhaft zu sein. Er beobachtete sie, wie sie den Kleinen zurückholte und zu ihren Füßen ins Gras setzte. Sie nahm ihm das Stück Brot aus der Hand und legte es etwas entfernt von ihm ins Gras. »So, Schatz. Jetzt halt dich ganz, ganz still, dann kommen sie vielleicht von selbst.« Die Sonne hatte ihre Nase gerötet und die Farbe der Sommersprossen auf ihrer hellen Haut vertieft. Sie merkte plötzlich, daß Kincaid sie beobachtete und sah errötend auf.
      »Sie sollten einen Sonnenhut tragen, wie sich das für eine junge viktorianische Frau gehört, die auf sich hält.«
      »Puh! Sie reden wie meine Mutter. >Du wirst dir einen Sonnenbrand holen, Gem. Warte nur, mit dreißig bist du völlig verwittert<«, äffte Gemma ihre Mutter

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