01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
gesagt?«
»Es war der schlimmste Tag meines Lebens. Dachte ich damals jedenfalls. Ich hätte nicht gedacht, daß es noch schlimmer kommen könnte.« Margaret wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »In der Arbeit war ich fast den ganzen Tag nur in der Toilette, weil ich mich dauernd übergeben mußte. Ich nahm mir fest vor, es ihr sofort beim Kommen zu sagen.« Sie lächelte ironisch. »Sie ließ mich nicht einmal ausreden. >Mach dir keine Sorgen, Meg<, sagte sie. >Ich weiß nicht, ob ich den Mut gefunden oder verloren habe, aber ich habe mich entschlossen, bis zum bitteren Ende durchzuhalten.<«
»Und wieso haben Sie ihr geglaubt?« fragte Gemma. »Wieso dachten Sie nicht, sie wolle sie nur entlasten?«
Margaret krauste die Stirn, während sie über die Frage nachdachte. »Ich weiß nicht, ob ich es genau erklären kann. Es war nichts... nichts Angespanntes mehr da. Keine Anstrengung, keine Aufregung. Verstehen sie?«
Gemma ließ es sich durch den Kopf gehen. »Ja, ich glaube schon. Sie hat Sie nicht gebeten zu bleiben?«
»Nur ein Weilchen. Ich habe alles getan, was ich auch sonst immer für sie tat - die Katze gefüttert, ein bißchen aufgeräumt. Dann bin ich zu dem indischen Restaurant gegangen und habe ihr zum Abendessen ein Curry geholt. Sie konnte nicht mehr viel essen, aber sie hat sich immer noch bemüht.«
»Margaret«, sagte Gemma vorsichtig, »hat Jasmine eigentlich jemals mit Ihnen darüber gesprochen, was Beihilfe zum Selbstmord juristisch bedeutet?«
Margaret nickte eifrig. »Sie sagte, solange ich sie nicht berühren oder ihr etwas eingeben würde, könnte mir nichts passieren. Außerdem dachten wir ja, daß kein Mensch etwas merken würde. Jasmine sagte, wir würden dafür sorgen, daß es natürlich aussieht - sie wollte keine Komplikationen.«
Hatte Jasmine es Margaret nur leicht machen wollen? War ihre Gelassenheit an diesem Tag Entschlossenheit entsprungen und nicht Hinnahme? War sie eine so geschickte Lügnerin gewesen, daß sie die Menschen, die sie am besten kannte, so leicht hinters Licht führen konnte? Und wenn sie gelogen hatte, warum? Gemma dachte an das junge Mädchen auf dem Foto, mit ihrer zarten Schönheit und dem verschlossenen, beinahe geheimnisvollen Gesicht. Eine kluge Frau, eine Frau, die planen und organisieren konnte - war ihre Verabredung mit Theo für den Sonntag nichts weiter gewesen als eine überflüssige Inszenierung? Gemma schüttelte den Kopf. Nach dem, was Gemma über Jasmine wußte, konnte sie sich das nicht vorstellen.
Eine Frage gab es, die sie Margaret noch nicht gestellt hatte. »Jasmine hat ein Testament hinterlassen, Meg.« Gemma gebrauchte absichtlich die abgekürzte Form des Namens, die Jasmine gewählt hatte. »Hat sie Ihnen darüber etwas gesagt?«
Margaret starrte in ihre leere Teetasse, als könnte sie die Antwort im Satz finden.
Gemma wartete schweigend, ohne sie zu ermuntern, ohne die Spannung zu durchbrechen, die sich aufbaute.
»Wir haben gestritten.« Margarets Fingerspitzen wurden weiß, so fest drückte sie sie gegen die Tasse. »Ich habe ihr gesagt, es sei furchtbar unfair, aber sie wollte nichts davon hören. Sie sagte, für Theo hätte sie schon getan, was sie konnte. Aber ich wollte nicht von ihrem Tod profitieren. Es war ein schreckliches Gefühl - als hätte ich sie für einen Preis gemocht.« Sie sah Gemma an, und die Tränen schossen ihr in die Augen. »Das verstehen Sie doch, nicht wahr?«
Gemma griff über den Tisch und legte ihre Hände auf die Margarets. »Haben Sie irgend jemandem von dem Testament erzählt, Meg?« fragte sie ruhig. »Ganz gleich, wem.«
Margaret riß ihre Hand zurück und hätte beinahe ihre Tasse umgestoßen. »Nein! Natürlich nicht. Ich habe keinem Menschen was davon gesagt.«
Sie packte Handtasche und Strickjacke zusammen und schob ihre Tasse weg. Gemma roch den beißenden Geruch der Angst.
11
»Klare Sache.«
»Okay. Begründen Sie das.« Kincaid schob seinen Sessel ein Stück zurück und legte seine Füße auf die offenstehende unterste Schublade seines Schreibtischs. Er hatte mit schweren Lidern über einem Stoß Papierkram gesessen, der ihn den ganzen Nachmittag beschäftigt hatte, als Gemma wie ein frischer Windstoß ins Büro gefegt war.
»Sie hat Todesangst, das arme Ding.« Gemma unterbrach ihre Wanderung durch das Zimmer und ließ sich auf der Armlehne des Besuchersessels nieder. »Sie hat ihrem
Weitere Kostenlose Bücher