01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
schönen Freund von dem Testament erzählt, und jetzt schwitzt sie Blut.« Sie beugte sich vor, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, und strich sich hastig eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die der Wind aus der Spange in ihrem Nacken gelöst hatte. »Nehmen wir mal an, Roger hat an dem bewußten Nachmittag auf Margaret gewartet, und als sie von Jasmine kam, erzählt sie ihm, daß Jasmine ihren Plan umgestoßen hat. Daraufhin gibt’s Streit zwischen den beiden, und schließlich geht Roger, um in dieser Kneipe seine Lampen und Mikrofone aufzustellen. Später sucht er irgendeinen Vorwand, um gehen zu können und stattet Jasmine einen Besuch ab.«
»Ich dachte, er hätte gesagt, er sei niemals dort gewesen.«
Gemma zuckte nur die Achseln. »Kann doch sein, daß er gelogen hat. Wer würde ihm dann widersprechen? Margaret vielleicht?« Sie hielt einen Moment inne, dann fuhr sie nachdenklicher fort: »Oder vielleicht hat er auch die Wahrheit gesagt. Aber was hätte ihn davon abhalten sollen, zu ihr zu gehen und sich unter irgendeinem Vorwand Zutritt zu ihrer Wohnung zu verschaffen? Ich könnte mir vorstellen, daß er sehr überzeugend sein kann.«
Kincaid lehnte sich in seinem Sessel zurück, faltete die Hände hinter dem Kopf und grinste. »Aha, Sie sind wohl auch nicht ganz immun gegen den schönen Roger, hm?«
Gemma schauderte. »Als wäre man mit einer Schlange eingesperrt. Der Kerl war mir richtig unheimlich. Dem würde ich alles Zutrauen. Könnte es nicht sein...«, sie stand auf und begann wieder, im Büro hin und her zu gehen, »daß er irgendwie von Jasmines Testament erfahren hat, noch ehe er Margaret kannte? Weshalb hätte er Margaret sonst überhaupt angequatscht? Bei dem stehen doch die Frauen sicher Schlange. Und erklären Sie mir jetzt nicht«, fügte sie errötend hinzu, als sie Kincaids Lächeln sah, »daß er die Reinheit ihrer Seele schätzt oder so was. Das glaube ich nämlich nicht.«
»Ich auch nicht, aber die Dinge liegen vielleicht trotzdem nicht ganz so einfach.« Kincaid erinnerte sich der Szene, deren Zeuge er in Margarets Zimmer geworden war. Roger genoß es, sich mit seiner sexuellen Macht über sie zu brüsten, und das war wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs. »Nur mal angenommen, Sie haben recht, Gemma. So weithergeholt es ist - woher könnte Roger von Jasmine und ihrem Testament gewußt haben?«
»Vielleicht hat er ihren Anwalt bestochen?«
Kincaid schüttelte den Kopf bei dem Gedanken an Antony Thomas. »Höchst unwahrscheinlich. Und wie soll die Sache abgelaufen sein, wenn Sie mit Ihrer ersten Vermutung recht haben und Roger an dem bewußten Abend tatsächlich Jasmine aufgesucht hat? Er hat sie nie kennengelernt, er findet irgendeinen überzeugenden Vorwand, um in ihre Wohnung zu gelangen - und dann? Sagt er, >Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich würde Ihnen jetzt gern eine Überdosis Morphium verabreichen?<« Er stach mit ausgestrecktem Finger nach Gemma. »Ich bin bereit zu schwören, daß kein Kampf stattgefunden hat.«
»Vielleicht hat er ihr erzählt, Margaret hätte sie nur ausgenützt, und daraufhin beschloß Jasmine, sich doch das Leben zu nehmen.«
»Aber er brauchte doch nur ein bißchen Geduld zu haben. Weshalb hätte er den letztendlichen Ausgang aufs Spiel setzen sollen?«
»Vielleicht hat er gefürchtet, seine Macht über Margaret zu verlieren und wollte deshalb aufs Ganze gehen«, erwiderte Gemma. Sie ließ sich in den Sessel fallen, lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander.
Einen Moment lang sahen sie einander an, jeder in seine Gedanken versunken, dann richtete sich Kincaid in seinem Sessel auf und stieß die Schreibtischschublade zu. »Keinerlei Beweise, Gemma. Überhaupt nichts. Ich gebe zu, daß Roger sich als Verdächtiger gut eignet, aber wir müssen weiter bohren. Mir ist nämlich der gute Theo auch nicht ganz geheuer.« Er sah auf seine Uhr und streckte sich. Dann zog er seinen Schlips auf und öffnete den obersten Knopf seines Hemds. »Machen wir Schluß. Ich bin erledigt. Haben Sie Lust, vor der Heimfahrt noch ein Glas zu trinken?«
Gemma zögerte, dann zog sie ein Gesicht. »Besser nicht. Ich hab’ mich die letzten Tage genug herumgetrieben. Wir sehen uns morgen.« Sie winkte kurz und ging. Aber dann schaute sie noch einmal zur Tür herein. »Vergessen Sie nicht, nach der Katze zu sehen.«
Der Wetterumschwung hatte die Wochenendhorden von der Heide vertrieben. Der
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