01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
Zeichentischen im Raum Platz zu geben. Ein dritter Schreibtisch stand unter dem Fenster. Der Stuhl davor war unbesetzt.
Die beiden jungen Frauen sahen Gemma an. Ihre bemüht ausdruckslosen Gesichter verrieten, daß sie wußten, wer sie war. Sie hatte die kleine Rezeptionistin also unterschätzt - das Buschtelefon funktionierte doch.
»Ich suche Margaret Bellamy«, sagte sie harmlos, trat ins Zimmer und schloß die Tür.
Die Frau, die ihr am nächsten saß, stieß sich auf ihrem Drehstuhl vom Schreibtisch ab und wandte sich ihr zu. »Die ist nicht da.« Sie lächelte zaghaft und zeigte dabei einen angeschlagenen Zahn.
»Glauben Sie, daß sie bald wieder kommt? Ich werde warten.«
Die beiden jungen Frauen tauschten einen Blick, dann sagte die erste. »Das kann man ihr nur wünschen. Die alte He...« Mrs. Washburn wird sie sowieso schon zur Schnecke machen.«
»Oh, sie ist wohl zu spät dran?« Gemma trat zu der ersten Frau und bot ihr die Hand. »Ich bin Gemma James.«
»Ich bin Carla. Das ist Jennifer.« Ein Nicken in Richtung zu ihrer Kollegin, die bisher noch nichts gesprochen hatte.
Carla hatte krauses braunes Haar, das sie mit einem Gummiband hochgebunden hatte, und ein kantiges, sympathisches Gesicht. Ihre Beine, die unter einem Minirock aus Latex gut sichtbar waren, waren äußerst stämmig. Die andere Frau, Jennifer, schien, wie Gemma es für sich zu nennen pflegte, mit dem Untadeligkeitsgen ausgestattet. Es gab einfach nichts an ihr auszusetzen. Manche Frauen wurden mit solcher Perfektion geboren, und wenn man nicht zu ihnen gehörte, hatte es überhaupt keinen Sinn zu versuchen, diese Vollendung zu erreichen: Makellose Haut, vollkommen geschnittene Gesichtszüge, eine Mannequinfigur, Haar, das niemals widerspenstig war, Kleider nach der letzten Mode. Wenn sie jetzt auch noch sprechen könnte, wäre alles bestens, dachte Gemma und nahm sich ihre Bissigkeit gleich übel.
»Haben Sie eine Ahnung, wo sie sein könnte?« Gemma hockte sich auf die Kante eines niedrigen Aktenschranks und sah auf ihre Uhr. Gleich halb zwei.
Wieder sahen die beiden jungen Frauen einander an, und diesmal hatten sie wohl ein stummes Signal getauscht, denn jetzt sprach Jennifer. »Vielleicht mit ihrem Freund unterwegs.« Sie sprach mit einem leichten Akzent - West-England, dachte Gemma und ihre blauen Augen zeigten überraschende Intelligenz. »Sie war heute morgen völlig erledigt. Wegen Miss Dent. Sie sind doch wegen Miss Dent hier, stimmt’s?«
Ja, das Buschtelefon funktionierte nicht nur; es funktionierte auf wunderbare Weise. »Indirekt«, antwortete Gemma, die sich nicht festlegen wollte. »Kennen Sie Margarets Freund?«
Die beiden Frauen lachten. »Roger?« sagte Jennifer. »Soviel Glück sollten wir mal haben.« Sie warf einen Blick auf Carla, die ein Gesicht zog. »Nein, im Ernst«, fuhr sie fort, »ich war dabei, als sie ihn kennengelernt hat.«
Gemma verschränkte die Arme und neigte den Kopf leicht zur Seite. Sie sah aus, als hätte sie den ganzen Tag Zeit. »Tatsächlich? Wann war denn das?«
Jennifer dachte nach und krauste dabei ihre schöne Stirn. »Im Oktober, glaube ich. Ich habe sie mal abends mitgenommen, als ich ausgegangen bin. Sie hat mir ein bißchen leid getan, wissen Sie.« Wieder warf sie Carla unter langen Wimpern einen Blick zu, und Carla nickte zustimmend. »Sie hat ja nie etwas unternommen. Abends hat sie sich immer nur mutterseelenallein in ihrem gräßlichen möblierten Zimmer verkrochen. Und da hab’ ich mir gedacht... na ja, Sie wissen schon.«
»Das war wirklich sehr nett von Ihnen.« Gemmas Stimme war voll warmen Lobs. »Und was passierte an dem Abend?«
Jennifer lächelte. Ihre Zähne waren weiß und ebenmäßig und so klein wie die eines Kindes. »Nichts. Wir saßen irgendwo an der Bar, und kein Mensch hat auch nur ein Wort mit uns gewechselt. Man hätte echt meinen können, wir hätten die Beulenpest oder so was. Und dann kreuzt plötzlich dieser wahnsinnig gutaussehende Mann auf. Ich meine, wirklich gutaussehend, wie ein...« Jennifer leckte sich die vollkommen geformten Lippen, während sie nach einem anschaulichen Vergleich suchte, »... wie ein amerikanischer Fernsehstar oder so was. Mann, dachte ich, nichts wie ran an den Speck.« Sie wackelte ein klein wenig mit den Schultern. »Und dann baggert er doch tatsächlich Margaret an.« Selbst jetzt noch schien sie konsterniert und schüttelte ungläubig den
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