01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
Dunkelheit hinaus. »Nein, das ist er nicht. Nochmals besten Dank, daß Sie sich für mich Zeit genommen haben. Ich komme wieder«, sagte er und es war ihm ernst damit. Bevor die Tür zufiel, sah er das Blitzen von Paul Grishams weißen Zähnen.
Er sagte nichts davon, daß Jasmines Tod nicht am Unwohlsein des Majors schuld sein konnte. Er hatte ja von ihrem Tod erst am Freitag erfahren, als Kincaid es ihm gesagt hatte.
Er machte halt für eine Fleischpastete und ein Bier im King George in der High Street. Als er wieder auf die Straße kam, legte sich die stille Luft feucht auf seine Haut. Morgen gibt es Regen oder ich freß einen Besen. Er klappte seinen Kragen hoch, schob die Hände in die Taschen und ging langsam zwischen den erleuchteten Schaufenstern geschlossener Geschäfte hindurch nach Hause.
Ganz von selbst führte sein Weg ihn zu Jasmines Tür, und er sperrte sie mit dem Schlüssel auf, den er an seinen Bund gehängt hatte. Als er die Lampe anknipste, blinzelte ihm Sid vom Bett entgegen, richtete sich auf und streckte sich ausgiebig.
»Hallo, Sid. Na, freust du dich, daß ich da bin? Oder hast du nur Hunger?«
Die Katze folgte ihm in die Küche und hockte sich ihm erwartungsvoll zu Füßen, während er in der Schublade nach dem Dosenöffner kramte. »Mir streichst du nicht um die Beine, wie, Junge?« bemerkte Kincaid, als ihm einfiel, wie der Kater, bevor er sein Futter bekam, Jasmine immer um die schlanken Beine gestrichen war. Später, als sie so zerbrechlich geworden war, hatte er immer Angst gehabt, der Kater würde sie zu Fall bringen, aber er hatte nie etwas gesagt.
»Wir freunden uns besser nicht zu sehr an, okay ?« Er stellte den Napf auf den Boden und strich Sid mit einer Hand über den seidenweichen Rücken, als dieser sich näherte, um zu fressen. Eingedenk Gemmas Ermahnung holte er das Katzenklo, das unter dem Waschbecken im Badezimmer stand, leerte es in den Mülleimer und füllte es neu aus einem Sack, den er im Küchenschrank fand. Er nahm den Müllbeutel aus dem Eimer und band ihn zu, um ihn hinauszutragen.
Sich sehr tugendhaft fühlend, füllte er Sids Wassernapf frisch und sah dann dem Kater beim Fressen zu. »Tja, was soll aus dir eigentlich werden, mein Schöner?« Während Sid den leeren Napf noch einmal gründlich ausleckte, fügte Kincaid hinzu: »Der schlimmste Kummer scheint bei dir vorbei zu sein.« Ob Mensch oder Tier, meistens verlangte der Körper schon sehr bald wieder sein Recht. Man trank Tee oder Whiskey. Man aß, was einem vorgesetzt wurde, und das Leben ging weiter. »Also, dann bis morgen, alter Freund.«
Er ließ das Licht für die Katze brennen und ging nach oben zu Jasmines Tagebüchern.
»5. Juni 1963
Ich kann an nichts anderes denken, als an ihn und wie es ist, wenn er mich anfaßt. Meine Haut brennt. Ich kann nicht essen. Ich kann nicht schlafen. Mir ist die ganze Zeit ein bißchen schwindlig, aber ich will nicht, daß es aufhört, und dauernd flattert mir der Magen. Ich kann tun, was ich will, es hört nicht auf. Ich weiß, was die Leute über ihn reden, aber es ist nicht wahr. Mit mir ist er anders, ganz sanft. Sie verstehen ihn nur nicht. Er gehört nicht hierher, genausowenig wie ich. Wir sind beide Außenseiter, in uns ist etwas Dunkleres, weniger Englisches. Tante May hat mir erzählt, daß ein Teil der Vorfahren meiner Mutter aus Frankreich stammten und ich deshalb so aussehe, wie ich aussehe, aber man merkt genau an der Art, wie sie es sagt, daß sie meine Mutter verachtet hat. >Rose HoIlis<, hat sie gesagt, >hatte nicht mal den gesunden Menschenverstand, den Gott einem Kind mitgibt. Ich weiß nicht, was sich dein Vater dabei gedacht hat, als er sie heiratete und nach Indien mitnahm.< Arme Mami. Er hat sie getötet, so sicher, als hätte er ihr ein Messer ins Herz gestoßen, und ich habe Angst. Ich will nicht, daß mir das gleiche passiert, aber ich habe jetzt schon keine Kontrolle mehr und sehe keine Möglichkeit, das Rad zurückzudrehen.
Sobald ich von dem Geld, das ich bei dem alten Mr. Rawlinson verdiene, genug zusammengespart habe, gehen wir von hier fort. Nach London, wo niemand uns kennt, wo wir die ganze Zeit Zusammensein können. Wir suchen uns irgendwo eine kleine Wohnung. Ich weiß, ich habe versprochen, nicht ohne Theo zu gehen, aber er kommt ja nächstes Jahr aus der Schule, und vielleicht kann ich bis dahin auch für ihn sorgen.
Wenn ich schlafen kann, träume ich von ihm. Wenn ich die
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