01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
haben, als Ihnen zu erlauben, Ihre Nase in meine Angelegenheiten zu stecken, aber das heißt noch lange nicht, daß ich damit einverstanden sein muß«, versetzte Nash mit unversöhnlicher Miene. »Hey, Sie.« Er wandte sich Peter Raskin zu, der sich die größte Mühe gab, den Unbeteiligten zu spielen, obwohl auch das, argwöhnte Kincaid, ihn nicht davor retten würde, von Nash als Prügelknabe mißbraucht zu werden.
»Chief Inspector«, unterbrach Kincaid, ehe Nash seine Wut an Raskin auslassen konnte, der das gewiß nicht verdient hatte. »Kann ich vielleicht den Autopsiebefund von gestern abend sehen?«
Nash schob die Papiere auf dem Tisch hin und her, bis er den braunen Umschlag fand, der den Bericht enthielt, und sah dann den Inhalt durch. »Nach Meinung des Pathologen ist sie irgendwann in dem Zeitraum, nachdem sie zum letztenmal gesehen worden war und bevor sie gefunden wurde, ums Leben gekommen.« Kincaid sah einen Funken Hoffnung in Nashs Augen, Zeugnis, wie er hoffte, einer kleinen Schmelze.
Kincaid lachte prustend. »Das ist ja sehr hoffnungsvoll. Und sonst?«
»Penny MacKenzies Schädeldecke scheint ungewöhnlich dünn gewesen zu sein. Der Schlag, so wie er geführt wurde, bedurfte keiner besonderen körperlichen Kräfte. Der Arzt meint, daß der Angreifer etwa mittelgroß war, es kann ein Mann oder eine Frau gewesen sein. Wenn es eine Frau war, dann hat sie den Schlag wahrscheinlich beidhändig geführt.« Nash lehnte sich zurück, und der zerbrechliche Stuhl knarrte beunruhigend. »Dabei fällt mir ein, Superintendent«, sagte er im Konversationston und verzog den Mund zu einem dünnen Lächeln, »daß es ja ein ausgesprochen interessanter Zufall ist, daß ausgerechnet Ihre Freundin, Miss Hannah Alcock, die arme Miss MacKenzie gefunden hat.« Die momentane Entspannung war nur Illusion gewesen.
Wieder läutete das Telefon und enthob Kincaid einer Erwiderung. Er war dankbar für den Aufschub. Während Nash sprach, wanderte er zerstreut im Zimmer umher und blieb an der Tür zum Schlafzimmer stehen, in dem Cassie und Graham sich am Abend von Sebastians Tod ihrer Aussage zufolge getroffen hatten.Er erinnerte sich des flüchtig aufflackernden Lichtscheins, den er und Hannah im Fenster gesehen hatten. Von zehn bis Mitternacht, hatte Cassie gesagt. Eine lange Zeit für das, was Cassie als eilige sexuelle Begegnung dargestellt hatte. Was war sonst noch zwischen ihnen vorgegangen? Hatten sie gestritten?
Die Namen gingen Kincaid durch den Kopf - Cassie und Graham, Hannah und Patrick, Cassie und Patrick... Der Gedanke, der ihm kam, erschien plausibel. War es möglich, daß Hannah wie Penny etwas herausgefunden hatte, das eine andere Person belastete? War es möglich, daß Hannah wie Penny ihr Wissen aus einer Art Ehrgefühl oder Fairneß für sich behielt?
Nash beendete sein Telefongespräch, und Raskin ergriff die Gelegenheit, um sich bemerkbar zu machen. »Ich lasse das rasch ins Labor bringen, Sir.« Er nahm den Plastikbeutel vom Tisch. Kincaid begegnete seinem leise erheiterten Blick und sagte sich, nun seien sie, was die Gefälligkeiten anging, quitt.
»Danke«, sagte er und wandte sich Nash zu. »Dann gehe ich jetzt, Chief Inspector, wenn es weiter nichts gibt. Ich bin im Haus, falls Sie meinen Rat wünschen sollten.« Er hob grüßend die Hand und ging aus dem Zimmer, ehe Nash über die Vorstellung, bei ihm Rat zu suchen, einen Wutanfall bekommen konnte.
Als er durch den Vorsaal ging, fiel sein Blick auf den Schirmständer, einen Messingkübel, der mit einem rotgrünen Druck einer Jagdszene umkleidet war. Munter sprangen da rotbefrackte Reiter auf langgestreckten Pferden über Zäune. Vor ihnen rannte die Hundemeute, scharte sich dann um ihre Beute. Der Fuchs lag sterbend auf dem Boden.
Hannah öffnete ihre Tür sehr rasch und mit einem Gesicht, als erwartete sie schlechte Nachrichten. Sie hatte sich sorgfältiger zurechtgemacht als am Vortag, doch das geschickt aufgetragene Make-up verbarg nicht die unnatürliche Blässe ihres Gesichts, nicht die Schatten unter ihren Augen.
»Duncan.« Sie sprach seinen Namen hastig und atemlos, und Kincaid fing wieder diesen Schatten der Enttäuschung in ihren Augen auf, den er an jenem ersten Abend zu sehen geglaubt hatte, als er zu ihr an den Tisch getreten war und sich vorgestellt hatte. »Was... gibt es...«
»Nein«, sagte er ruhig, ihre unausgesprochene Frage beantwortend. »Es gibt nichts Neues. Ich bin
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