01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
ihrem Gott gefühlt haben mußten, und Neid durchzuckte sie.
Patrick saß auf einem abgebröckelten Sims, den Rücken an eine der Chorsäulen gelehnt, von deren verwittertem Stein sich sein Haar leuchtend abhob. Die genoppte braune Wolle seines Shetlandpullovers hätte beinahe das grobe braune Tuch einer Mönchskutte sein können, doch der Rauch, der von der Zigarette zwischen seinen Fingern aufstieg, ruinierte das Bild. Sie hatte ihn niemals rauchen sehen.
Er zeigte keine Überraschung über ihr Erscheinen, sprach erst, nachdem sie eine Weile dagestanden und ihn angesehen hatte.
»Ich dachte mir schon, daß Sie vielleicht kommen würden. Wunderbar, nicht wahr?« Er wies mit einer Kopfbewegung auf den Chor rund um sie herum. Er ließ die Zigarette fallen und trat den Stummel in den Boden. Auf ihren Blick hin sagte er: »Wenn Marta dabei ist, rauche ich ' nie. Da würde ich ja den Vorteil meiner moralischen Überlegenheit einbüßen. Und Politiker«, er lächelte, und seine Stimme hatte einen spöttischen Unterton, den sie nie zuvor gehört hatte, »halten an jedem Vorteil eisern fest.«
»Ist das auch der Grund, weshalb Sie nicht wollen, daß jemand von der Sache mit Cassie erfährt?« sagte Hannah, erstaunt, wie ruhig ihre Stimme klang. Sie hatte nicht die Absicht gehabt, ihn direkt zu beschuldigen; doch die Worte sprangen ihr wie von selbst über die Lippen. »Wozu waren Sie bereit, Patrick, um zu verhindern, daß Marta davon erfährt? Um zu verhindern, daß Sie vielleicht die Unterstützung von Martas Eltern verlieren und damit wahrscheinlich die Wahl?« Hannah merkte, daß sie keuchte, und sie begann zu frösteln wie bei einer Erkältung.
Patrick zog überrascht die Augenbrauen hoch. Er setzte zum Sprechen an, ging dann ein paar Schritte zur Mitte des Chors und blieb, die Hände in den Hosentaschen, mit dem Rücken zu ihr stehen. Nach einem kleinen Moment sagte er ruhig: »Mir ist klar, daß wir alle verdächtig sind. Das wäre jedem Idioten klar. Aber gerade von Ihnen habe ich aus irgendeinem Grund keinen Angriff erwartet. Wie sind Sie denn«, fuhr er fort, ohne sich umzudrehen, »auf diese... diese phantastische Geschichte gekommen?«
»Duncan Kincaid glaubt, daß Sebastian hinter Ihre Beziehung zu Cassie gekommen ist und Ihnen gedroht hat, sie publik zu machen - um Geld zu erpressen oder nur, weil er Cassie haßte, weiß ich nicht.«
Jetzt drehte er sich doch um, immer noch ruhig und bedächtig. »Das ist doch Unsinn, Hannah. Glauben Sie im Ernst, daß Marta mich wegen eines Seitensprungs verlassen würde? Daß sie klein und gedemütigt zu ihren Eltern und ihrer Clique in Sussex zurücklaufen und zugeben würde, daß sie mich nicht halten konnte? Oder daß ihre Eltern öffentlich die Demütigung ihrer Tochter zugeben würden? Nie im Leben. Wir haben es nicht nur mit meinem Ehrgeiz zu tun, wir haben es auch mit dem Ehrgeiz dieser Familie zu tun, und die gibt ihre Ambitionen so leicht nicht auf. Selbst wenn man ihnen unwiderlegbare Beweise vorlegte, würden sie sämtliche Augen zudrücken, weil ihnen das in den Kram paßt. Oh, Marta würde sicher kräftig sticheln und noch ein bißchen mehr Gin schlucken, aber das wäre auch alles.«
»Aber was...«
»Sie halten mich für gefühllos, nicht wahr?« Patricks Ton war überraschend bitter. »Sie glauben, ich hätte Marta und ihre Eltern wegen ihres Einflusses gewählt?« Einen Moment lang starrte er sie herausfordernd an, aber sie sagte nichts. »Dann lassen Sie sich belehren, Hannah. Sie haben mich gewählt. Ich war für sie das perfekte Mittel zur Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Ambitionen, das Kuscheltier, das man verhätschelt und pflegt wie eine preisgekrönte Katze, der charmante Schwiegersohn, der stets bereit ist, sich geschwätzigen alten Damen zu opfern. Ich würde sagen, ich habe meinen Teil der Abmachung durchaus erfüllt.« Wieder lag in seinem Lächeln dieser Hauch von Selbstironie.
Es klingt alles so verführerisch plausibel, dachte Hannah. Wie sollte sie ihm nicht glauben, wenn sie ihn so vor sich sah, so merkwürdig verletzlich wirkend in dieser leicht gebeugten Haltung, während der Wind das glatte blonde Haar auf seiner Stirn zauste?
»Aber Patrick...«, Hannah hatte Mühe, die Worte zu finden, um fortzufahren, »was ist dann an dem Abend passiert, an dem Sebastian gestorben ist? Duncan glaubt, daß Penny Sie gesehen hat.«
Patrick kam zu dem Torbogen zurück und lehnte sich an die
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