01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
nur gekommen, um zu sehen, wie es Ihnen geht.« Und das, was er sah, flößte ihm Unbehagen ein.
»Kommen Sie herein, kommen Sie herein. Trinken Sie eine Tasse Kaffee mit mir. Ich wollte mir gerade einen machen.«
Hannah drehte sich abrupt um und ging in die Küche, wobei sie mit dem Arm gegen die Theke schlug, als sie sie umrundete.
Hannahs Apartment war, wie Kincaid am Tag zuvor entdeckt hatte, kein Abklatsch des seinen. Die Größe und der Schnitt der Räume waren etwas anders, ebenso die Farbgebung - gedämpftes Himbeerrot anstelle von gedämpften Grüntönen. Es wirkte im Gegensatz zu seinem eigenen nach fast einer Woche Aufenthalt immer noch unbewohnt. Nirgends im Wohnzimmer lagen Kleider oder Bücher herum, auf der Ablage in der Küche stand kein Geschirr zum Trocknen.
Kincaid blieb unsicher an der Tür zu der kleinen Kochnische stehen und beobachtete die Ruckhaftigkeit von Hannahs Bewegungen, die sich auffallend von ihren sonst so ruhigen, beherrschten Gesten unterschieden. Was immer sie bedrückt hatte, sie hatte sich, so vermutete jedenfalls Kincaid, entschlossen zu handeln und versuchte jetzt, den nötigen Mut dafür aufzubringen.
»Kann ich helfen?« fragte er, als Hannah den gemahlenen Kaffee auf der Arbeitsplatte verstreute.
»Nein, nein, ich schaff das schon. Danke.« Sie fegte den verschütteten Kaffee in den Filter und setzte den Filter auf die Kanne. »So. Gleich wird er fertig sein.« Hannahs Blick flog zu Kincaids Gesicht und schweifte wieder ab. Sie sah ihm nicht in die Augen. Der Kaffee war noch nicht ganz durchgelaufen, als sie den Filter herunternahm und Kaffee in eine Tasse goß.
»Kommen Sie. Setzen wir uns.« Er legte ihr eine Hand zwischen die Schulterblätter, führte sie ins Wohnzimmer und fragte sich dabei die ganze Zeit, wie er das Thema aufs Tapet bringen sollte, das ihm am Herzen lag.
Sie setzten sich, aber auch das schien Hannah nicht zu beruhigen - sie kauerte zusammengekrümmt auf der Sofakante, und ihre Hände zitterten, als sie die Tasse hob.
»Kalt?« fragte Kincaid.
»Ich oder der Kaffee?«
»Schwach. Ihr Witz, nicht der Kaffee.« Kincaid lächelte, und sie schien sich ein wenig zu entspannen. »Hannah«, sagte er langsam, »hat Patrick Rennie irgendwann einmal etwas über Cassie Whitlake zu Ihnen gesagt?«
»Nein«, antwortete sie verwundert und sah ihn zum erstenmal direkt an. »Wieso? Ich meine«, ihre Stimme wurde energischer, »weshalb sollte er mit mir über Cassie sprechen, und wieso sollte er irgend etwas wissen, was der Erwähnung wert wäre? Sie glauben doch nicht, daß Cassie... irgend etwas mit...«
»Ich glaube, daß Patrick eine ganze Menge darüber weiß, womit Cassie etwas zu tun hat und womit nicht-ja, daß er weit mehr über Cassie Whitlake weiß, als er vor anderen, besonders seiner Frau, zugeben möchte.«
»Patrick... und Cassie?« Das Rouge auf Hannahs Wangen glühte auf der plötzlichen Blässe ihrer Haut.
»Ja, das glaube ich.« Kincaid sprach im Konversationston und trank dabei von seinem Kaffee. »Sehen Sie, Cassie hat schon seit einiger Zeit ein Verhältnis mit Graham Frazer, aber da hat sich, soweit mir bekannt ist, in letzter Zeit etwas verändert. Ein neuer Liebhaber ist auf den Plan getreten, ein Mann mit großer Zukunft, ein aufgehender Stern. Und Cassie ist plötzlich ungemein darauf bedacht, daß ja niemand erfährt, daß sie immer noch mit Graham zusammen ist.«
Er schwieg, um Hannahs Reaktion abzuwarten. Sie saß sehr still, die Kaffeetasse schief in der Hand, offensichtlich vergessen.
»Es würde mich nicht wundern, wenn sie versucht hat, mit Graham Schluß zu machen, und er auf stur geschaltet hat. Er macht mir den Eindruck eines ziemlich sturen Burschen. Und jetzt«, fuhr Kincaid fort, »sehen wir uns die Situation einmal aus einem etwas anderen Blickwinkel an. Cassie möchte nicht, daß Patrick die Sache mit Graham erfährt, richtig? Das wäre das Ende der Romanze, Ende der großen Zukunftsaussichten, ob nun real oder eingebildet. Aber was ist mit Patrick? Was würde es für Patrick bedeuten, wenn jemand, insbesondere seine Frau, dahinterkäme, daß er ein Verhältnis mit Cassie hat? Ehekrach? Eine unerquickliche Scheidung vielleicht? Skandalberichte in der Boulevardpresse?«
Er neigte fragend den Kopf zur Seite, als hätte Hannah sich skeptisch geäußert.
»Altmodisch, meinen Sie? Nicht skandalös genug, um eine beginnende politische Karriere
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