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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und daraus die Außenmauern des Königssitzes hochgezogen. Schwarz, porös und kalt waren sie, mit Zinnen, die sich nach vorne zu lehnen schienen, als wollten sie jeden Besucher anspringen. Der Vulkan war die Burg, und die Burg war der Vulkan.
    Hier oben, in den Spalten und Rissen des Steins, pfiff der Wind unablässig in klagenden Tönen. Er war wie eine Musik, die niemals verstummte, und die vielen Balladen, die man am Hofe sang, waren ihm in Stimme und Klang sehr ähnlich. Im Gegensatz zu den Burgen auf dem Festland bestand in Island keine Notwendigkeit für einen Burggraben oder eine Zugbrücke.
    Nur eine große, geschwungene Freitreppe, ebenfalls dem Vulkanberg abgetrotzt, führte in einer Unendlichkeit von Stufen zum großen Doppeltor aus Eschenholz, das sechs Männer brauchte, um sich öffnen zu lassen.
    In Island war zehn Monate Winter, und die Menschen, die hier lebten, waren ein Widerschein der schier endlosen Kälte und Dunkelheit. Zäh, schweigsam und von einem Willen, der nicht zu brechen war.
    Brunhilde stand auf der Zinne, die rechts über dem Burgtor in mächtigem Schwung bis in den Berg führte. Ein eisiger Wind wehte hier oben, und vereinzelte Schneeflocken tanzten mit ihm.
    Die junge Frau, zu der die Königstochter in den letzten drei Jahren geworden war, starrte auf den schmalen Fjord, der zum Ozean führte, als könne sie das Schiff, auf das sie so sehr wartete, herbeizwingen. Ihr Gesicht verriet nichts von der Verzweiflung, die ihr Herz in diesen Tagen zu brechen drohte.
    Die Tür eines der Türme, die in den Wohnbereich führte, öffnete sich, und Eolind trat heraus. Er hatte sich einen Fellmantel umgeworfen, der seine hagere Gestalt fast völlig umhüllte. Für eine Weile stand er neben Brunhilde und sah ebenfalls zum Fjord hinaus. Es war, als wolle er sehen, was sie sah. Und er sah nichts.
    »Wie geht es ihm?«, fragte Brunhilde schließlich, und es fiel ihr schwer, die sorgenschwere Stimme gegen den Wind zu erheben.
    »Er ist ein Krieger - er weiß, dass es sein letzter Kampf ist«, antwortete Eolind. »Aber er wird ihn führen, bis der Tod selbst ihn mit Respekt empfängt.«
    »Er ist ein Narr«, widersprach sie bitter. »Es ist keine Schande darin, sich dem nächsten Leben zu ergeben. Ich habe gesehen, welche Schmerzen er leidet.«
    Hakan lag schon seit drei Monaten danieder, und die Quacksalber des Hofes hatten ihm von Anfang an ein schnelles Ende prophezeit, dem er sich wie ein störrisches Pferd widersetzte.
    »Er sorgt sich um das Reich«, bemerkte Eolind.
    Nun endlich drehte sich Brunhilde zu dem Mann, der seit mehr als vierzig Jahren ihrem Haus diente. »Und das Reich sorgt sich um ihn. Aber Island wird nicht untergehen, nur weil sein König den Tod als Freund empfängt. Hat mein Vater so wenig Vertrauen zu mir - zu meiner Fähigkeit, das Land zu führen?«
    Eolind schüttelte den Kopf. »Ihr werdet eine vorzügliche Herrscherin sein, und er weiß das. Aber mit euch auf dem Thron wird jeder König begehrliche Blicke auf Island werfen, der euch zu einer Hochzeit zwingen kann.«
    Brunhilde wusste, dass ihr Ratgeber die Wahrheit sprach. Sie brauchte einen starken Gatten - aber wenn dieser ein König war, würde Island in seinem Besitz aufgehen. »Ich werde dem Thron Islands Ehre machen«, knurrte sie. »Aber heiraten werde ich nur, wer meiner würdig ist.«
    Eolind seufzte vernehmlich. »Nicht weniger wünsche ich Euch, aber - wie viele Freier könnt Ihr zurückweisen, bis einer von ihnen die Schmach nicht hinzunehmen bereit ist? Bis er beschließt, zu nehmen, was ihm nicht gegeben wurde?«
    Brunhilde legte beide Fäuste auf die Zinne. »Ich werde den Mut und die Entschlossenheit der Bewerber brechen müssen, ohne ihre Eitelkeit zu verletzen. Jeder braucht eine gerechte Chance, an der er jedoch scheitern wird. Es wird ... Prüfungen geben.«
    Wieder einmal erschauderte Eolind angesichts der Stärke und Entschlossenheit, die Brunhilde in ihrem Alter schon aufbrachte.
     
     
3
     
Burgund und die Rache der Götter
     

     
    »Wir hätten im Dorf ein Pferd leihen können«, knurrte Siegfried - sicher zum hundertsten Mal auf dieser Reise.
    Regin ging unbekümmert neben dem Karren her, der das Werkzeug und die übrigen Erzeugnisse aus der Schmiede trug und den sein Gehilfe wie ein Ochse die schmutzige Straße entlang durch den Regen zog.
    »Warum?«, fragte der Schmied scheinheilig. »Dann hätte ich ein weiteres Maul zu stopfen gehabt, und deine Kraft kostet nichts.«
    Er verschwieg die

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