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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hand auf die Schulter gelegt hatte.
    Er schlug die Augen auf, und nach ein paar Herzschlägen wusste er wieder, wo er war. Er sah Regin an. »Was hat das zu bedeuten?«
    Der Schmied legte ihm die Hand auf den Mund.
    Da war es wieder. Dieses Grollen wie von einer Steinlawine, die einen Hang hinunter auf das Tal zutrieb. Es war weit entfernt.
    »Ein Sturm?«, fragte Siegfried, als Regin seinen Mund endlich wieder freigegeben hatte.
    Regin stand auf. »Kein Sturm, der sich jemals mit so viel Wut in der Stimme angekündigt hätte.«
    Sie gingen zur Landstraße zurück, deren schnurgerader Verlauf einen weiten Blick ins Land erlaubte. Ihr Karren war unangetastet und stand dort, wo Siegfried ihn zurückgelassen hatte. Zwar regnete es nicht mehr, aber die Straße war immer noch ein einziger Morast, der sich an ihre Füße klammerte.
    Regin blickte in die Richtung, in die ihr Weg führte. Die sanft fallende Landschaft hob sich nur wenig vom grauen Himmel ab, und es fiel schwer, irgendetwas klar zu erkennen.
    Ein Licht flackerte in der Ferne auf. Es ging einher mit dem Grollen, das kurz darauf an Siegfrieds und Regins Ohren drang.
    »Doch ein Gewitter«, meinte Siegfried, ohne seiner Stimme jedoch den notwendigen Ton der Zuversicht geben zu können. »Es blitzt, es donnert.«
    »Es war so wenig ein Blitz, wie es ein Donner war«, zischte Regin.
    »Was war es dann?«
    Der Schmied machte sich auf den Weg zu ihrer Lagerstätte. »Es ist weit genug entfernt, dieses Wissen soll mir vorerst reichen. Wir machen uns auf den Weg.«
    Sie klaubten ihre Sachen zusammen und zogen den Karren wieder auf die Straße.
    Es war deutlich angenehmer, in den frühen Morgenstunden trocken gen Worms zu ziehen, und die Tatsache, dass es bergab ging, erleichterte Siegfrieds Aufgabe ungemein.
    Aber trotzdem fehlte die Unbekümmertheit, mit der sie noch vor einigen Tagen durch die Lande gezogen waren. Eine unbestimmbare Schwermut, die auch durch das Licht des frühen Tages nicht zu verscheuchen war, schien sich wie Mehltau über das ganze Land gelegt zu haben.
    Es war Regin, dem es zuerst auffiel. »Hörst du etwas?«
    Siegfried lauschte. Aber bis auf die schmatzenden Geräusche unter den Rädern des Karrens war da nichts. »Nein.«
    »Ich auch nicht«, murmelte der Schmied, und Siegfried fühlte sich zunächst als Opfer eines dummen Scherzes.

    Dann ging ihm schlagartig die Bedeutung seiner Worte auf. »Keine Vögel.«
    Regin nickte. »Keine Vögel, kein Wild, kein Wolfsgeheul.«
    Siegfried erkannte, dass es diese unnatürliche Stille war, die ihn so verunsichert hatte. In der Schmiede im Wald aufgewachsen, waren die Geräusche der Tiere etwas, das so allgegenwärtig war, dass man es erst bemerkte, wenn es fehlte.
    Wieder sahen sie etwas vor sich auf dem Weg liegen. Es war der massige Leib eines toten Pferdes.
    Siegfried stellte den Karren ab, und vorsichtig näherten sich die beiden Männer dem Kadaver.
    Das Pferd war zugeritten gewesen, und in seinem Maul hingen die Reste des Zaumzeugs. Die Flanke war aufgerissen, und an dem Kadaver hatten sich augenscheinlich ein paar Raubtiere satt gefressen. Rippen stachen hell aus den Wunden hervor. Aus den toten Augenhöhlen krochen bereits weiße, fette Maden.
    Zuerst dachte Siegfried, es sei ein schwarzer Hengst gewesen, doch dann fiel ihm auf, wie rau und verschuppt das Fell erschien. Vorsichtig drückte er mit dem Finger dagegen. Es knirschte, und rußige Flocken lösten sich.
    »Das Fleisch«, murmelte er. »Es ist verbrannt. Als habe man das arme Tier lebend in ein Lagerfeuer gestoßen.«
    Regin war nicht wohl bei der Sache. Mehr und mehr fürchtete er, mit der Reise nach Burgund einen großen Fehler gemacht zu haben. Er hatte ja gewusst, dass Xanten Siegfrieds Schicksal war. Wieso hatte er versucht, den Göttern zu trotzen?
    Ihm fiel auf, dass die Bäume an dieser besonderen Stelle kaum Laub trugen und ihre Stämme so pechschwarz waren wie das verbrannte Fleisch des Pferdes. Er ging etwas näher an den Waldrand und strich mit den Fingern über einen Stamm. Als er sie wegzog, war seine Hand mit Asche bedeckt.
    »Auch diese Bäume sind verbrannt«, rief er Siegfried zu.
    Im Gras wischte sich der Junge die Finger sauber. »Aber es ergibt keinen Sinn! Hier sieht es nicht so aus, als habe der Wald gebrannt.«
    Regin atmete tief ein. Er traf eine Entscheidung, die ihm vielleicht die Rache der Götter ersparte, sollte er sie auf sich geladen haben. »Willst du umkehren?«
    Siegfried sah ihn überrascht an.

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