Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Gesicht. »Was werde ich ohne dich machen, Gernot? Du bist der Einzige, der den lieben langen Tag nicht nur an Feuer und Vernichtung denkt.«
    Gernot strahlte angesichts des Lobes seiner geliebten Schwester. »Und du bist die einzige Frau am Hofe von Burgund, deren Geist so wach wie ihr Herz groß ist.«

    Hagen fand seine Tochter immer noch auf dem Balkon. Er nahm seinen Mantel und legte ihn um ihre schmalen Schultern. »Dein Tod ist von wenig Wert, also gib etwas mehr auf dich Acht.«
    Sie schaute ihn nicht einmal an. »Warum sehen die Menschen niemals das, was man für sie sein will - sondern nur das, was ihren Erwartungen entspricht?«
    Hagen seufzte. Elsa war ein seltsames, verschlossenes Mädchen. Er hatte ihr die Mutter ersetzt, die bei der Geburt gestorben war - so gut es sein Amt als Ratgeber des Königs zuließ. Aber sie hatte sich schon in frühen Jahren von den anderen Kindern bei Hofe zurückgezogen und ihre eigenen Wege gesucht. Manchmal ging sie des Abends fort und kam erst im Morgengrauen wieder. Niemand wusste, wo sie die meiste Zeit des Tages verbrachte. Sie erschien oft wie ein düsteres Omen - unerwartet und still.
    Hagen von Tronje war kein empfindsamer Mann. Das Leben hatte ihn hart und der Krieg berechnend gemacht. Er wusste genau, was Elsa meinte, und er sprach es aus. »Gernot sieht in dir, was du bist - Hagens Tochter. Das bringt dir Respekt. Erwarte nicht Liebe. Es wäre ein schlechter Tausch.«
    Elsas dunkle Augen, die schon von Natur aus groß und unergründlich waren, weiteten sich. »Ich . . . du . . . «
    Hagen lächelte so väterlich, wie es ihm möglich war. »Du bist sehr gut darin, deine Gefühle zu verbergen. Aber ich bin ebenso gut darin, in Seelen zu schauen.«
    Sie fühlte sich ertappt, wollte sich an ihm vorbeidrücken, um wieder irgendwohin zu verschwinden, aber ihr Vater hielt sie am Arm fest. »Elsa, hör mir zu - wir sind kein königliches Blut, und kein Spiel zwischen den Laken wird dich jemals zu einer Prinzessin machen. Was uns an Rang fehlt, können wir nur durch die Macht aus den Schatten ausgleichen. Aber dafür müssen unsere Herzen verschlossen und unsere Gedanken klar sein.«
    »Soll ich mein Herz an die Politik verraten - so, wie du es immer getan hast?«
    Hagen war nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. »Du sollst dein Herz nur nicht für den kleinsten Preis verkaufen, Elsa. Wenn es ein Burgunder ist, den du zu betören suchst, dann lass es Giselher sein. Als Kronprinz, als König, als Mann - spiele deine Karten gut, und dein Wort wird das sein, auf das er hört. Du wirst ihn führen, wie ich Gundomar führe.«
    Elsa spuckte verächtlich auf den Boden. »Bist du schon auf beiden Augen blind, Vater? Gundomar hört mehr auf Gunther als auf dich. Und wenn du deine Tochter als Bettpfand brauchst, um den Thronfolger in deinem Sinne zu lenken - wie groß ist dein Einfluss dann wirklich?«
    Hagen schlug sie kurz und hart, so, wie er es sonst nicht nötig hatte. »Vergiss Gernot!«
    Sie riss sich von ihm los und lief durch den Gang davon. »Es gibt nichts zu vergessen!«
    Hagen atmete tief durch. Dann hieb er mit seiner Faust in schwarzem Leder gegen die Mauer.
     
    Das Abendmahl am Hofe von Burgund war sicher nicht mit den Dorffesten zu vergleichen, die Siegfried aus den Ortschaften rund um den heimatlichen Wald kannte. Als er mit Regin den großen Saal betrat, waren die Bediensteten bereits damit beschäftigt, gebratene Schweine und Ochsen zu zerlegen und das Fleisch von den Knochen zu trennen. An mehreren Langtischen saßen bestimmt an die hundert Vasallen, Berater und ranghohe Soldaten. Wein und Bier flossen reichlich, gereicht von Hofdamen, die immer wieder mit Schläuchen und Krügen aus den Schatten traten.

    Die hohen, nackten Wände des Saals waren mit Teppichen und prächtigen Stickereien behängt, beleuchtet von Fackeln, die in eisernen Haltern steckten. Eine mannshohe Feuerstelle an der Ostwand prasselte fauchend Wärme in den Raum.
    Der König selbst, umgeben von seinen Söhnen und Hagen von Tronje, saß auf einem eher bescheiden verzierten Thron, vor den ein weiterer Tisch geschoben worden war. Nur die leicht erhöhte Estrade hob die königliche Familie aus der Menge heraus. Es war ein üppiges, aber doch vergleichsweise gesittetes Fest. Weder wurde gebrüllt, noch wurden die Essensreste auf den Boden geworfen.
    Gundomar sah die beiden Schmiede eintreten, und er winkte sie heran. Dann bedeutete er ihnen, sich vor der Estrade an einen der Tische zu

Weitere Kostenlose Bücher