01 - Der Ring der Nibelungen
setzen. Respektvoll machten ein paar der Untertanen ihnen Platz. Binnen eines Herzschlags standen Holzplatten mit Braten und Brot vor ihnen und mit Wein gefüllte Kelche.
Siegfried und Regin aßen mit dem Appetit von Männern, die seit einiger Zeit keine warme Mahlzeit mehr bekommen hatten. Besonders Siegfried langte zu, als müsse er für den Winter Vorsorgen.
Erst als der erste Hunger gestillt war, wandte sich der König an seine neuen Gäste. »Aus dem Norden kommt ihr, so hört man. Habt ihr euch mit dem Karren den Rhein herauf ziehen lassen?«
Regin schüttelte den Kopf. »Wir haben von Mainz aus die Straße genommen.«
Einige der Männer am Tisch warfen sich Blicke zu, die nicht so unauffällig waren, wie sie es vermutlich erhofften. Aber niemand außer dem König ergriff das Wort. »Und habt ihr auf der Reise viel erlebt?«
Es war der Unterton, der Regin verriet, dass Gundomar nicht nach beliebigen Anekdoten fragte. Er räusperte sich. »Majestät, wir kommen nicht viel herum, Siegfried und ich. Da erscheint uns vieles wunderlich, das für den Ansässigen keinen zweiten Blick wert sein mag.«
Gunther mischte sich mit einem milden Blick ein. »Du kannst reden, Schmied Regin. Wir alle sind uns bewusst, dass in den Wäldern rund um Worms schreckliche Dinge geschehen. Es erfreut uns, dass ihr augenscheinlich davon verschont geblieben seid.«
Nun fühlte sich Siegfried bemüßigt zu berichten. »Einen vorschnell zurückgelassenen Wagen am Wegesrand haben wir gesehen - und ein Pferd, dessen Leib verbrannt war. Donnergroll in einem ansonsten unnatürlich stillen Wald.«
Der König und seine drei Söhne sahen sich missmutig an. Es herrschte so etwas wie beunruhigte Stille.
»Man hat mir berichtet, dass er drei weitere Bauern auf dem Felde getötet hat«, zischte Giselher schließlich wütend. »Ein großer Zug mit Waren aus Sachsen ist kurz vor dem Rheintal umgekehrt, die Männer waren zu Tode verängstigt. Die Winzer fürchten sich, zur Lese aus den Häusern zu gehen.«
Auch Gunther nickte besorgt. »Nur noch wenige Güter gelangen an unseren Hafen. Die Felder liegen brach, und dadurch ist die Versorgung der Bevölkerung für das nächste Jahr gefährdet. Hunger droht.«
Es war offensichtlich, dass Siegfried und Regin mit ihren Worten genau das Thema angeschnitten hatten, welches unausgesprochen in der Luft lag, seit sie über die Grenze nach Burgund gekommen waren.
Nun sprach auch Hagen, und seine Stimme, obwohl leise und ruhig, war von jedem im Raum zu hören. »Die Bevölkerung ist Vieh, das den Hunger vergisst, sobald die nächste Mahlzeit auf dem Tisch steht, mein König. Viel dringlieher steht jedoch eine andere Frage im Raum - wie lange wird das Vieh dem Leittier folgen, das es nicht zu schützen weiß?«
Wütend schlug Gundomar seinen Kelch auf den Tisch, und Wein spritzte umher. »Genug! Wir haben mehrere Einheiten unserer tüchtigsten Soldaten verloren. Sobald Etzel wieder abgereist ist, werde ich selbst die besten Krieger führen, und dann hat dieser Spuk namens Fafnir ein Ende!«
Jetzt wurde doch gejohlt im Saal, und Kelche wurden aneinander geschlagen.
Giselher sprang auf. »Und ich, mein Vater, werde an deiner Seite kämpfen! Wer kann den Schwertern des Königshauses Burgund widerstehen?«
Noch mehr Gejohle, noch mehr Getrampel, noch mehr Wein.
Siegfried beugte sich zu Gunther, der ihm leicht erhöht am nächsten saß. »Verzeiht mir meine Unwissenheit, Herr -aber wer ist dieser Fafnir, unter dessen Joch das Land so stöhnt?«
Gunther senkte seine Stimme, um den Vater nicht weiter zu verärgern. »Mein guter Siegfried, seid ihr christlich getauft, im Namen des dreifaltigen Gottes?«
Der junge Schmied schüttelte den Kopf. »Regin . . . ich . . . wir glauben an die Götter aus Walhall, und an Odin, ihren Herrscher.«
Die Antwort schien Gunther wenig auszumachen. »Dann erkläre ich es so - Fafnir ist das schlimmste Biest, welches jemals Utgard verlassen hat. Ein Ungeheuer, dem deine Götter nur mit Furcht entgegentreten würden. Der Lindwurm, dessen Schädel nur unter Thors Hammer brechen wird! Sein Atem ist Feuer, und seine Klaue ist Tod!«
Siegfried drehte sich mit heißen Wangen zu Regin. »Hast du das gehört, Regin? Es ist der Lindwurm, der dieses Land knechtet! Sein Licht haben wir in der vorigen Nacht gesehen, und sein Feuer hat den Wald versengt. Es ist eine Bestie ... ein . . . ein . . .«
»Drache«, knurrte Regin unwirsch. »Lang wie eine Eiche hoch und mit Schuppen,
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