01 - Der Ring der Nibelungen
Gundomar nickte seinem Sohn zufrieden zu.
Regin half Siegfried auf die Beine.
Gernot war nahe daran aufzuschreien. Es war nicht fair! Dieser Siegfried hatte einen guten Kampf geliefert, und er hatte das Zeug gehabt, Giselher ein ebenbürtiger Gegner zu sein. Der erste seit langer Zeit.
Aber Gernot begriff auch, was geschehen war. Siegfried hatte Giselher den Sieg überlassen, damit der Thronfolger sein Gesicht wahrte. Er mochte im Duell unterlegen sein -bei Hofe hatte er damit seine Position verbessert.
Hastig sprang Gernot auf. Er musste Kriemhild davon erzählen!
Der junge Mann, der für seine achtzehn Jahre sehr zart und weich aussah, prallte fast gegen das blasse, dünne Mädchen, das am Eingang zum Balkon stand. Ihre glatten schwarzen Haare glänzten und lagen so dicht an ihrem schmalen Kopf, als seien sie immerzu nass.
»Elsa!«, keuchte Gernot erschreckt. »Was . . . ich meine, was hast du ... hast du das eben gesehen?«
Er konnte nicht erkennen, ob sie von ihrer Warte aus einen freien Blick auf den Hof gehabt hatte. Aber warum sollte sie sonst dort gestanden haben?
Ihre leise, zerbrechlich wirkende Stimme klang fast einschläfernd. »Es ist feucht hier draußen. Du wirst krank werden.«
Gernot war gewohnt, dass Elsa keine direkten Antworten gab. »Ich muss meiner Schwester berichten«, rief er atemlos und drängte sich an Elsa vorbei, die bei der Berührung die Augen schloss und tief einatmete.
Als Gernot außer Sicht war, schaute sie gelangweilt in den Hof.
Kämpfen - war das alles, was Männer konnten? Manchmal ähnelten sie Tieren mehr als Menschen. Blinden Tieren.
»Ich hätte ihn schlagen können«, krächzte Siegfried, als er Regins Arm unter seiner Achsel spürte. »Ich bin stärker als er.«
»Du hättest ihn schlagen können«, zischte der Schmied in sein Ohr. »Dann wären wir aus Worms verjagt worden. Ich danke den Göttern, dass du zum ersten Mal auf mich gehört hast.«
Trotz des mürrischen Tonfalls strich Regin seinem Ziehsohn fast liebevoll durch die Haare.
Gundomar trat mit seinem Gefolge auf sie zu, während sich Giselher im Hintergrund hielt. Regin und Siegfried verbeugten sich, wie es die Etikette verlangte. Doch es blieb ihnen nicht verborgen, dass einige der Blicke, die ihnen zugeworfen wurden, wenig freundlich waren. Viele der erfahrenen Krieger wussten, dass Siegfried nicht aus Schwäche den Kampf beendet hatte.
Gundomar war etwas kleiner als seine Söhne, aber seine vernarbte Haut über den drahtigen Muskeln kündete von manch gewonnener Schlacht. Wie sein Sohn Gunther trug er den Bart sorgsam gestutzt.
»Eine gute Leistung«, verkündete der König. »Es ist keine Schande, dem Sohn Gundomars zu unterliegen - dem besten Kämpfer von Burgund!«
Ein paar, aber längst nicht alle Höflinge jubelten verhalten.
»Wir sind hier, um zu dienen«, sagte Regin zweideutig.
»Was ist euer Handwerk?«, fragte Gunther, dessen offenes, freundliches Gesicht ehrlich lächelte.
»Wir sind Schmiede«, antwortete Siegfried. »Und wir sind mit unseren Waren von weit her gekommen, um dem Königreich zu helfen.«
»Als gäbe es in Worms keine Schmiede«, knurrte Hagen, dessen linkes Auge unter einer Lederkappe verborgen war.
Gundomar hob die Hand, um seinen Ratgeber zu zügeln. »Ehrliches Handwerk ist uns immer willkommen - besonders in diesen schweren Zeiten. Und einen Platz beim Abendmahl haben sie sich allemal verdient.«
Es brannte Siegfried auf der Zunge, den vagen Andeutungen durch eine klare Frage nachzustellen, aber er vermutete, dass das Essen dazu eine bessere Gelegenheit böte.
Ohne ein weiteres Wort drehte sich der König um und schritt davon.
Gunther blieb noch kurz stehen und blickte stirnrunzelnd zum Himmel, der vom Abend kündete. Dann sah er Siegfried und Regin an. »Man wird euch einen Platz zuweisen. Wascht euch und findet euch dann in der großen Halle ein.«
Er klatschte zweimal in die Hände, und es begann ein Ritual, wie die beiden Schmiede aus Odins Wald es noch nie zuvor gesehen hatten: Die Pferde wurden hastig in die Ställe geführt, und von den Baikonen und Fenstern aus wurden die bunten Fahnen eingeholt. Die Banner des Reiches verschwanden in Windeseile, und die Hofdamen hasteten zum Pallas. Einige Fenster wurden mit schweren Tüchern oder Fellen verhängt, wie es Siegfried und Regin auch schon in Worms aufgefallen war. Es war, als wolle man den Hof von allem Leben befreien, ihn öde und leer machen.
Dann drehte sich auch Gunther um und folgte
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